Gold- und Silberrecycling
„We were into recycling before recycling was cool.“
Anthony Pratt
- Die Bedeutung von Gold- und Silberrecycling wird oft unterschätzt. Rund 25% des weltweiten Goldangebots und etwa 18% des Silberangebots sind auf Recycling zurückzuführen.
- Schmuck dominiert das Recyclingangebot: Rund 90% des weltweit recycelten Goldes stammt aus Schmuck, wobei insbesondere Schwellenländer wie Indien, China oder die Türkei einen großen Beitrag leisten – meist aus Liquiditätsbedarf bei steigenden Preisen.
- Elektroschrott gewinnt an Bedeutung: Smartphones, Computer & Co. werden zu einer immer wichtigeren Recyclingquelle. Moderne Anlagen können heute über 90% des enthaltenen Goldes rückgewinnen; Schätzungen zufolge könnten bis 2030 15% des globalen Goldangebots aus Elektroschrott stammen.
- Der Goldpreis treibt die Recyclingmenge – jedoch nicht linear: Studien zeigen eine hohe Preiselastizität des Angebots an Altgold zwischen 0,6 und 3, wobei psychologische Effekte wie z. B. neue Allzeithochs das Verkaufsverhalten besonders stark beeinflussen.
- Recycling spart CO₂: Eine Unze Gold aus klassischem Bergbau verursacht im Schnitt rund 1 Tonne CO₂, während beim Recycling von Gold bis zu 90% weniger CO₂ emittiert werden – ein bedeutender Nachhaltigkeitsvorteil des Recyclings.
- Strategische Bedeutung durch geopolitische Risiken: Angesichts importabhängiger Rohstoffversorgung gewinnt Edelmetallrecycling auch politisch an Gewicht. Die EU will bis 2030 mindestens 25% des Bedarfs an kritischen Rohstoffen aus Recycling decken.
Während Artikel, Veröffentlichungen und Suchanfragen rund um Gold geradezu explodiert sind, führt das Thema Goldrecycling in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin ein Schattendasein – und das, obwohl die steigenden Preise die Recyclingmengen erheblich nach oben getrieben haben. Auf den folgenden Seiten betrachten wir die vielfältige Welt des Gold- und Silberrecyclings – vom Urban Mining über die einzelnen Schritte des Recyclingprozesses bis hin zu ökologischen Vorteilen, Preissensitivität und zentralen Akteuren.
2024 legte die Menge an recyceltem Gold um 10,9% zu, nachdem sie sich 2023 um 8,6% erhöhte. In diesen beiden Jahren stieg der Goldpreis jeweils im zweistelligen Prozentbereich, nämlich 2024 um 27,2% und 2023 um 13,1%. In absoluten Zahlen wurden im Jahr 2024 insgesamt 1.370 t recycelt, nach 1.234 t im Jahr 2023 und 1.163 t im Jahr 2022. Die 2024 recycelte Menge Gold übertraf den bisherigen Höchstwert der 2010er-Jahre von 1.276 t im Jahr 2019. Der Zuwachs ist angesichts des stark gestiegenen Goldpreises keineswegs überraschend.
Dieser Anstieg des recycelten Goldes verschafft dem Markt einen vorübergehenden Angebotsschub und trägt dazu bei, etwaige Knappheiten beim geförderten Gold auszugleichen. Der Gesamteinfluss des Recyclings auf das weltweite Goldangebot bleibt jedoch im Vergleich zur primären Minenproduktion begrenzt.
Quelle: World Gold Council, Incrementum AG
Urban Mining
Urban Mining bezeichnet die Rückgewinnung wertvoller Materialien wie Gold und Silber aus Abfall wie etwa Elektronikschrott, altem Schmuck und anderen weggeworfenen Gegenständen. Dieser nachhaltige Ansatz schont Ressourcen und reduziert die Umweltauswirkungen des traditionellen Bergbaus. Das World Gold Council (WGC) definiert recyceltes Gold als „gold as that sold for cash by consumers or other supply-chain players, such as jewelry manufacturers that sell old stock“. Ein Vorteil von Silber und Gold ist, dass sie wiederholt eingeschmolzen werden können, ohne dass die Qualität darunter leidet. Diese bemerkenswerte Eigenschaft verbessert das Nachhaltigkeitsprofil der beiden Edelmetalle im Vergleich zu den meisten anderen Investitionsmöglichkeiten.
Urban Mining – Gold
Ein beträchtlicher Teil des weltweiten Goldangebots – etwa 25% – stammt aus recyceltem Gold. Betrachtet man die Angebotsstatistiken der letzten Jahre, so ist dieser Anteil trotz erheblicher Schwankungen der Goldpreise relativ stabil geblieben. Diese Stabilität ergibt sich aus der Tatsache, dass die Minenproduktion in diesem Zeitraum ebenfalls gestiegen ist. Dennoch erhöhte sich der relative Anteil von recyceltem Gold am jährlichen Gesamtangebot von 23,9% im Jahr 2022 auf 27,5% im Jahr 2024, was einem Anstieg um 15% entspricht.
Anders war die Situation vor 2015, als Altgold bis zu 42% (2009) des gesamten Goldangebots ausmachte. In den drei Jahren nach der Weltfinanzkrise brach die enge positive Korrelation zwischen dem Goldpreis und dem Anteil des Altgoldes am jährlichen Gesamtgoldangebot vorübergehend ab, stellte sich aber später während der Goldpreiskonsolidierung nach 2012 – auf niedrigerem Niveau – wieder ein.
Recyceltes Gold, in % des Angebots, 2004–2024
Quelle: Thomson Reuters GFMS, World Gold Council, Incrementum AG
Exkurs: Peak Gold
Seit vielen Jahren diskutieren Goldexperten das Konzept des Peak Gold, d. h. die These, dass sich die weltweite Goldförderung ihrem Höhepunkt nähert, sich danach verlangsamt und der Goldbestand folglich nicht mehr mit der historischen Rate von 1,8% pro Jahr, wie im letzten Jahrhundert wächst. Die von uns bereits häufiger aufgegriffen Peak-Gold-Theorie[1] steht im Kontext der Debatte zwischen Malthusianern und Cornucopianern über das Zusammenspiel von Bevölkerungswachstum und Ressourcenverfügbarkeit. Malthusianer – benannt nach dem britischen Gelehrten Thomas Malthus – gehen davon aus, dass das Bevölkerungswachstum den Ressourcenverbrauch schneller steigen lässt als die Produktion, wodurch die planetaren Grenzen überschritten und Krisen wie Hunger und Armut ausgelöst werden. Cornucopianer – ein Begriff, der sich auf den Glauben an den Überfluss bezieht und oft durch das Füllhorn symbolisiert wird – hingegen glauben, dass menschlicher Erfindungsreichtum und technologischer Fortschritt die Ressourcenknappheit überwinden können.
Die Simon-Ehrlich-Wette veranschaulicht diese philosophische Spaltung am besten. Im Jahr 1980 schlossen die Professoren Paul Ehrlich, ein Biologe, und Julian Simon, ein Wirtschaftswissenschaftler, eine Wette über die inflationsbereinigte 10-jährige Preisentwicklung (1980–1990) von fünf Rohstoffen (Kupfer, Chrom, Nickel, Zinn und Wolfram) ab. Ehrlich sagte einen Preisanstieg bei allen Metallen aufgrund der durch das Bevölkerungswachstum verschärften Ressourcenknappheit voraus. Simon wettete darauf, dass die Rohstoffpreise nicht höher sein würden als am Tag der Wette. Alle Preise fielen, sodass Ehrlich die Wette verlor.
In Anlehnung daran argumentieren die Befürworter von Peak Gold, dass das weltweite Goldangebot endlich ist und dass zwei Drittel des bisher geförderten Goldes (212.582 t) seit den 1950er-Jahren abgebaut wurden. Ein im August 2024 erschienener Report von S&P Global prognostizierte, dass das jährliche Goldangebot mit 110 Millionen Unzen (Moz) bzw. 3.420 t im Jahr 2026 seinen Höhepunkt erreichen wird. Als einer der Hauptgründe wird der Mangel an hochwertigen Goldfunden in der jüngeren Vergangenheit angeführt: Wie Rick Mills in einem Artikel für mining.com schreibt: „As for peak gold, it’s already here.“ Mit 3.661 t übertraf jedoch bereits 2024 das prognostizierte Niveau, was gegen die Peak Gold These spricht.
Die Frage nach dem weltweiten Goldangebot ist jedoch komplexer als die Frage: „Wann geht uns das Gold aus?“. Historische Daten zeigen, dass die weltweite Goldproduktion im vergangenen Jahrhundert mehrere Spitzenwerte erreichte, darunter insbesondere 1912, 1940 und 1970, auf die jeweils Phasen des Rückgangs folgten. Einige Analysten gehen davon aus, dass im Jahr 2018 mit einer Produktion von 2.554 t ein weiterer Höhepunkt erreicht wurde.
Entgegen dieser Vorhersagen ist der Höhepunkt der Goldförderung unserer Meinung nach noch nicht erreicht. Technologische Fortschritte steigern weiterhin die Produktivität und Effizienz des Bergbaus und halten den Aufwärtstrend der Goldproduktion aufrecht. Sollte das weltweite Minenangebot zurückgehen, würde der Goldrecyclingmarkt wahrscheinlich als Puffer gegen Angebotsdefizite dienen.
Die weltweite Menge an recyceltem Gold ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. In den 1990er-Jahren lagen die jährlichen Recyclingmengen in der Regel zwischen 800 und 900 t. In den 2000er-Jahren stieg diese Zahl auf 1.000 t und erreichte 2010 aufgrund der hohen Goldpreise einen Höchststand von 1.500 t, bevor sie wieder auf etwa 1.000 t zurückging. In den letzten Jahren ist das Angebot an recyceltem Gold wieder gestiegen und erreichte 2023 1.237 t. Das entspricht 25,3% des gesamten weltweiten Goldangebots.
Der Aufwärtstrend setzte sich 2024 mit 1.370 t recyceltem Gold fort. Diese Zahl bleibt zwar unter dem Allzeithoch von 2009 mit 1.728 t, was 42% des Gesamtangebots in jenem Jahr entsprach, übertrifft aber die 1.292 t im ersten Corona-Jahr 2020. Dieser robuste Anstieg des Recyclingangebots um 11% im Jahresvergleich gegenüber 2023 wurde in allen Regionen mit Ausnahme des Nahen Ostens beobachtet.
In Q1/2025 wurde der Aufwärtstrend mit einer recycelten Menge auf dem hohen Niveau von 345 t bestätigt. Der Anteil von Goldrecycling liegt damit bei 28,6%, was die steigende Bedeutung für das Goldangebot noch weiter unterstreicht.
Recycling von Gold aus Schmuckstücken
Das Schmuckrecycling ist die traditionellste Form des Goldrecyclings und macht etwa 90% des weltweit recycelten Goldes aus. Dieser Prozentsatz variiert regional, mit höheren Raten in Ländern mit einer starken Goldschmucktradition wie Indien und niedrigeren in westlichen Ländern, in denen Goldschmuck eine geringere kulturelle Rolle spielt.
Recyceltes Gold ist zu einem wichtigen Trend in der globalen Schmuckindustrie geworden. Marken wie Chopard, Prada, Tiffany und Pandora haben sich zu einer verantwortungsvollen Materialbeschaffung verpflichtet, insbesondere durch die Verwendung von recyceltem Gold. Darüber hinaus verwenden zahlreiche aufstrebende Schmuckunternehmen ausschließlich recycelte Edelmetalle, was die Nachfrage nach recyceltem Gold weiter steigert.
Goldrecycling aus Elektroschrott
Elektroschrott hat sich zu einer immer wichtigeren Quelle für recyceltes Gold entwickelt. Das weltweite Aufkommen an Elektroschrott liegt derzeit bei über 60 Mio. t pro Jahr und wird sich bis 2050 voraussichtlich auf 137 Mio. t mehr als verdoppeln. Ein bedeutender Prozentsatz dieses Elektroschrotts enthält Edelmetalle, einschließlich Gold. Studien haben gezeigt, dass ein typisches Mobiltelefon etwa 7 bis 34 mg Gold enthält. Höherwertige elektronische Geräte wie Desktop-Computer und Server-Motherboards können bis zu 1 g Gold enthalten.
In der Vergangenheit waren die Rückgewinnungsraten für Edelmetalle beim Recycling von Elektroschrott relativ gering. Durch Verbesserungen bei den Raffinations- und Trenntechniken konnten diese Quoten jedoch erheblich gesteigert werden, sodass moderne E-Schrott-Recyclinganlagen heute in der Lage sind, über 90% des Goldes zurückzugewinnen. Schätzungen zufolge könnten bis zu 15% des weltweiten Goldangebots aus Elektroschrott gewonnen werden. Derzeit wächst die Produktion von Elektroschrott fünfmal schneller als dessen Recycling. Wie eine aktuelle Studie der Universität Pforzheim zeigt, ist das Goldrecycling aus Elektroschrott jedoch nach wie vor wesentlich energieintensiver als das Schmuckrecycling.
Vor kurzem hat die UK Royal Mint eine Recyclinganlage in Wales errichtet, in der mit modernsten Verfahren Edelmetalle aus den Leiterplatten ausrangierter elektronischer Geräte gewonnen werden. In Zusammenarbeit mit dem kanadischen Clean-Tech-Start-up-Unternehmen Excir leistet die Royal Mint Pionierarbeit bei der Entwicklung einer neuen nachhaltigen Edelmetalltechnologie, die eine sekundenschnelle Goldgewinnung aus Elektroschrott ermöglicht. Die Royal Canadian Mint und das Clean-Technology Start-up-Unternehmen Enim sind eine ähnliche Partnerschaft eingegangen.
Laut einer aktuellen Studie von The Gold Bullion Company liegen die USA bei der Goldrückgewinnung aus ausgemusterter Elektronik an der Spitze, gefolgt von China und Deutschland. Im Jahr 2022 erzeugten die USA 4,1 Mrd. kg offiziell dokumentierten Elektroschrott, aus dem schätzungsweise 13.767 kg Gold zurückgewonnen werden konnten. Obwohl nur halb so viel Elektroschrott anfällt, folgt China mit geschätzten 6.630 kg recyceltem Gold an zweiter Stelle.
Auf Pro-Kopf-Basis liegt Norwegen mit 0,066 g pro Person weltweit an der Spitze der recycelten Goldmenge aus Elektroschrott. Die Top Five wird von Finnland, Österreich, der Schweiz und Schweden abgerundet.
Triebkräfte des weltweiten Goldrecyclings
Bevor wir unsere Analyse des Urban Mining abschließen, lohnt es sich, die Triebkräfte des weltweiten Goldrecyclings zu analysieren, insbesondere die Preissensibilität von Altgold. Wie reagiert das Angebot von Altgold – sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zum geförderten Gold – auf Schwankungen des Goldpreises?
Eine Vorbemerkung: Entgegen der Erwartungen gibt es nur wenige umfassende Studien über die Preissensitivität des Goldrecyclingangebots. Die meisten Forschungsarbeiten in diesem Bereich konzentrieren sich auf verfahrenstechnische Aspekte.
Wie bereits erwähnt, kann der gesamte oberirdische Goldbestand – der auf etwa 212.582 t geschätzt wird – grundsätzlich durch Recycling wieder auf den Markt kommen. Der größte Teil besteht in Form von Schmuck (44%), gefolgt von Anlagegold (24%) in Form von Barren und Münzen, Zentralbankbeständen (21%) und technologischer Verwendung (5%).
Oberirdischer Goldbestand nach Sektoren, in Tonnen, 2024
Quelle: World Gold Council, Incrementum AG
In der Praxis wird jedoch nur ein Bruchteil dieses gesamten oberirdischen Bestandes über das Recycling tatsächlich auf den Markt zurückkehren. Verschiedene Faktoren tragen zu dieser Begrenzung bei, darunter unverkäufliche Familienerbstücke und Kunstgegenstände, die über Generationen weitergegeben werden, Zentralbanken, die Gold als Reserven aufbewahren, und Elektronikschrott, der auf Mülldeponien entsorgt wird, ohne dass das Edelmetall zurückgewonnen werden kann. Im Jahr 2025 werden nur etwa 0,5% des gesamten oberirdischen Goldbestandes recycelt.
Da der Bergbau den Großteil des weltweiten Goldangebots beisteuert, verfügt er zweifellos über eine beträchtliche Marktmacht. Folglich würde ein Angebotsschock – ob positiv oder negativ – die Preise deutlich beeinflussen.[2] Die Minenproduktion ist jedoch mit erheblichen Vorlaufzeiten verbunden.[3] Zwischen den ersten Explorationsarbeiten und der Förderung vergehen oft Jahrzehnte. Infolgedessen reagiert der Edelmetallbergbau relativ langsam auf Marktpreisänderungen.
Aufgrund der sehr viel kürzeren Zeit bis zur Marktreife, weist das Angebot an Altgold eine deutlich größere Volatilität auf. Die Saisonabhängigkeit der Goldförderung beeinflusst jedoch die relative Bedeutung des Recyclings, die in der Regel im ersten Quartal eines jeden Jahres zunimmt.
Minenproduktion und Recyceltes Gold (lhs), in Tonnen, und Recyceltes Gold (rhs), in % des Angebots, Q1/2010–Q4/2024
Quelle: World Gold Council, Incrementum AG
Der erhebliche Umfang und die Variabilität des Altgoldes lassen enormes Potential zur Beeinflussung des Goldpreises vermuten, doch die Beziehung ist eher umgekehrt: Der wichtigste Treiber für die Recyclingmengen ist der Goldpreis, was das Recycling zum Preisnehmer macht.
Ein Hauptgrund für diese Dynamik liegt in der Zusammensetzung des Altgoldangebots: Über 90% des Recyclings geht auf Schmuck zurück, davon fast drei Viertel aus den Schwellenländern. Der Schmucksektor ist in diesen Ländern preisempfindlich. Auf Preisschwankungen reagiert er schnell, da Privatpersonen ihren Goldschmuck oft verkaufen, wenn sie sofort Geldmittel benötigen. Neben China und Indien spielen auch die Türkei, der Iran, der Irak, Ägypten und Thailand eine wichtige Rolle.
Während das Goldrecycling im Allgemeinen als Preisnehmer auf globaler Ebene fungiert, kann es auf stärker lokalisierten Märkten die Preisbildung bestimmen. Bisweilen können Schwankungen in der Schmucknachfrage auf Länderebene dazu führen, dass die lokalen Märkte mit Abschlägen gegenüber den Weltmarktpreisen gehandelt werden.
Eine vor kurzem von Goldbroker durchgeführte Studie berechnete eine Preiselastizität des Recycling-Goldes von 3, was bedeutet, dass ein 1% Anstieg des Goldpreises zu einem 3% Anstieg des Angebots an recyceltem Gold führt. Eine Studie von BCG kam zu einem deutlich anderen Ergebnis und schätzte eine Elastizität von 0,6.
Eine Erklärung für diese Volatilität kann in der menschlichen Psychologie gefunden werden. Wenn beispielsweise neue Kursrekorde aufgestellt oder bedeutende Kursschwellen wie die 3.000-USD-Marke überschritten werden, hat dies eine psychologische Wirkung. Hinzu kommt, dass die Erwartungen der Menschen nicht unbedingt rational sind, sondern oft von Hoffnungen, Ängsten und Wunschvorstellungen beeinflusst werden. Folglich kann durch das Überschreiten solcher Preisschwelle ein zusätzliches Verbraucherinteresse – egal ob Kauf oder Verkauf – getriggert werden. Lokale Goldpreise spielen eine entscheidende Rolle, wie etwa im November 2022 (über 50 EUR/g), im März 2024 (über 2.000 CHF/oz) und im September 2024 (über 2.000 GBP/oz) deutlich wurde.
Währungskrisen und wirtschaftliche Rezessionen sind weitere Katalysatoren für das Goldrecycling, da Privatpersonen in finanziellen Notlagen oft gezwungen sind, ihr Gold zu veräußern. Während der ägyptischen Währungskrise von 2015/16 etwa, explodierte das ägyptische Schrottangebot von 6 t in Q4/2015 auf 27 t in Q2/2016. Eine entscheidende Voraussetzung für große Recyclingmengen ist natürlich ein umfangreicher lokaler Bestand an Goldprodukten, insbesondere Schmuck. Daher weisen Länder mit einer starken Goldschmucktradition ein größeres Potenzial für das Recycling auf.
Eine Untersuchung historischer Daten bestätigt die positive Korrelation zwischen dem Anstieg des Goldpreises und dem Wachstum des Recyclingangebots. Auf jeden größeren Preisanstieg in den letzten zwei Jahrzehnten folgte ein deutlicher Anstieg der Recyclingangebots – ob 2010/11 nach der Weltfinanzkrise, 2020 während der Corona-Pandemie oder 2023/24 nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs.
All diese Beispiele zeigen eindrücklich die Dynamik marktwirtschaftlicher Prozesse. Goldpreiserhöhungen bieten den Minenunternehmen einen Anreiz, ihre Förderung zu steigern und möglicherweise zuvor unwirtschaftliche Lagerstätten für den Abbau nutzbar zu machen. In ähnlicher Weise werden Unternehmen und Privatpersonen motiviert, ihre Goldbestände zu monetarisieren, sobald die Preise bestimmte Schwellenwerte erreichen. Auf einer abstrakteren Ebene wird das Verhältnis zwischen dem Angebot aus neugefördertem Gold und jenem aus Recycling durch dasselbe Marktsignal ausgeglichen – den Goldpreis.
Gold Stock-to-Flow-Ratio (lhs), und Oberirdischer Goldbestand (rhs), in Tonnen, 1900–2024
Quelle: LSEG, Incrementum AG
Eine essenzielle Metrik ist das Stock-to-Flow-Ratio (SFR) von Gold. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die jährliche Goldproduktion im Verhältnis zu der bereits geförderten Goldmenge relativ konstant geblieben.[4] Das Stock-to-Flow-Ratio vergleicht den aktuellen Bestand eines Rohstoffs mit der jährlichen Neuproduktion. Ein hohes Verhältnis – typisch für Gold oder Bitcoin – weist auf Knappheit hin und signalisiert geringeren Inflationsdruck, da das neue Angebot den Markt kaum beeinflusst. Ein niedriges Verhältnis deutet dagegen auf höhere Inflationsempfänglichkeit hin, da die neu produzierte Menge stärker ins Gewicht fällt.
Diese Tatsache veranschaulicht der folgende Chart eindrucksvoll: Der weltweite Pro-Kopf-Goldbestand schwankte seit Mitte des 20..Jahrhunderts innerhalb einer engen Spanne von 0,70 bis 0,85 Unzen.[5] Dies ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Weltbevölkerung von 2,50 Mrd. Menschen im Jahr 1950 auf heute mehr als 8 Mrd. Menschen explodiert ist. Mit anderen Worten widersprechen diese Daten der Peak-Gold-Theorie, da das Angebot parallel zum starken Bevölkerungswachstum zugenommen hat.
Oberirdischer Goldbestand (lhs), in Tonnen, und Gold pro Kopf (rhs), in Unzen, 1950–2024
Quelle: UN, World Gold Council, Incrementum AG
Um auf die Frage zurückzukommen, was das Goldrecycling-Angebot antreibt, ist die Antwort daher bemerkenswert einfach: der Markt selbst. Solange es einen Mechanismus zur freien Preisbestimmung gibt und keine Preiskontrollen oder ähnliche Eingriffe vorgenommen werden, kann der Goldpreis als Signal für alle Marktteilnehmer dienen.
Urban Mining – Silber
Silber, das zweitwichtigste Edelmetall, hat viele Eigenschaften mit seinem goldenen Gegenstück gemeinsam. Seine Langlebigkeit, Knappheit, dekorative Schönheit und die besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften – wie elektrische und thermische Leitfähigkeit und Beständigkeit gegen atmosphärische Oxidation – machen Silber zu einem begehrten Rohstoff. Laut einer Analyse von Sprott ist Silber nach Erdöl der am zweithäufigsten verwendete Rohstoff, der in elektronischen Geräten, Solarpaneelen, Elektrofahrzeugen, Halbleitern und mehr als 10.000 weiteren Anwendungen zum Einsatz kommt.[6]
Im Gegensatz zu Gold findet Silber jedoch eine viel breitere Verwendung in industriellen Anwendungen und erfährt einen tatsächlichen „Verbrauch“. Das bedeutet, dass ein Teil des geförderten Silbers unwiederbringlich verschwindet, zum Beispiel durch Abrieb (Münzen) oder als Bestandteil von Abfallprodukten. Daher hält eine Analyse des Silver Institutes die gesamte historische Minenproduktion von Silber – etwa 57 Mrd. Unzen bis 2023 – für ein gänzlich ungeeignetes Maß für die wahre Größe des oberirdischen Silberbestandes.
Darüber hinaus wird ein erheblicher Teil des enthaltenen Silbers nie recycelt, da die Silbermenge einfach zu gering ist, um den wirtschaftlichen Aufwand für das Recyclingverfahren zu rechtfertigen. Dieses Silber ist praktisch „verloren“. Der Schwellenwert, rentablen Silberrecyclings ist natürlich ebenfalls preisabhängig. Bei Gold hingegen liegt der größte Teil des oberirdischen Bestands von 212.582 t in Form von Schmuck und Goldbarren vor und steht daher theoretisch weiterhin dem Markt zur Verfügung.
Der nächste Chart zeigt das starke Wachstum der industriellen Silbernachfrage in den letzten Jahrzehnten, während Schmuck nur einen geringen Teil des Gesamtverbrauchs ausmacht. Diese Zusammensetzung der Nachfrage – die sich deutlich vom Profil des Goldes unterscheidet – wirkt sich auch auf das Recyclingpotenzial aus.
Globale Silbernachfrage nach Sektoren, in Moz, 2016–2025e
Quelle: The Silver Institute, Incrementum AG
Auf der Angebotsseite wird die Silberproduktion mit über 80% vom traditionellen Bergbau dominiert, entweder aus der primären Silbergewinnung oder als Nebenprodukt der Gold-, Kupfer- und Zinkgewinnung.
Der Anteil des Silberrecyclings am Gesamtangebot ist geringer als bei Gold und belief sich 2023 auf 178,6 Moz oder 5.063 t, was 18% des Gesamtangebots entsprach. Wie in den Vorjahren leistete der Industriesektor den größten Beitrag, insbesondere aufgrund des verstärkten Recyclings von EO-Katalysatoren und des Nachholbedarfs an Recycling aus den Pandemiejahren.
Aus regionaler Sicht ist Ostasien mit 55,6 Moz, d. h. fast einem Drittel der weltweiten Gesamtmenge, führend. Die USA und Europa folgen mit 44 bzw. 31,7 Moz. Diese kontraintuitive Diskrepanz ist wahrscheinlich auf die umfangreichen Abfallausfuhren aus europäischen Ländern nach Asien zurückzuführen.
Eine interessante Entwicklung ist die Rückgewinnung von Silber aus ausgemusterten Photovoltaikmodulen. Ein Solarmodul enthält im Durchschnitt 20 g Silber.[7]
Derzeit werden aufgrund begrenzter wirtschaftlicher Anreize nur etwa 10% der Paneele recycelt, doch diese Situation könnte sich in den kommenden Jahren ändern, wenn mehr Photovoltaikpaneele das Ende ihrer Lebensdauer erreichen.
Das Silver Institute hat vor kurzem eine detaillierte Analyse mit verblüffenden Schlussfolgerungen hinsichtlich der Preissensibilität von Silberbeständen und Recyclingmengen veröffentlicht. Entgegen der Erwartungen besteht kein direkter Zusammenhang zwischen den oberirdischen Silberbeständen und dem Silberpreis, wie der folgende Chart zeigt. Eine Erklärung für diese Diskrepanz ist die „Unbeweglichkeit“ eines Großteils des Silbers der in Produkten wie Mobiltelefonen, Röntgengeräten und anderen Gütern integriert und somit schwer zugänglich ist.
Oberirdischer Silberbestand (lhs), in Moz, und Realer Silberpreis (rhs), in USD, 1970–2023
Quelle: The Silver Institute, LBMA, Precious Metals Insights, LSEG, Incrementum AG
Gleichzeitig wirken sich Zu- und Abgänge bei den Edelmetallbeständen erheblich auf die Preise aus. So korreliert beispielsweise die Zunahme des Silberbarrenbestands häufig mit dem Anstieg der Marktpreise, da die Käufernachfrage die Preise nach oben treibt.
Die Preissensitivität von Fertigerzeugnissen ist deutlich geringer als die von Silberbarren – ein Effekt der geringeren „Beweglichkeit“ des darin gebundenen Silbers. Diese Beobachtung gilt auch für die letzte Lebenszyklusphase von Fertigerzeugnissen, d. h. das Recycling. Folglich wird das Schrottrecycling nur teilweise durch Preisänderungen beeinflusst. Umweltpolitik und Produktlebenszyklen haben einen größeren Einfluss.
Dennoch können erhebliche Veränderungen des Angebots an Silberschrott die Marktpreise beeinflussen. Im Allgemeinen stützt ein starker Rückgang des verfügbaren Angebots an Silberschrott das Preisniveau, während ein deutlicher Zuwachs den Preisanstieg eher begrenzt.
Schrottsilber (lhs), in Moz, Realer Silberpreis (lhs), in USD, und Schrottsilber (rhs), in % des Angebots, 1970–2023
Quelle: The Silver Institute, LBMA, Precious Metals Insights, LSEG, Incrementum AG
Eine ausschließliche Betrachtung der Marktpreisdynamik in Bezug auf das Angebot an Silberschrott wäre jedoch irreführend, wie eine längerfristige Perspektive zeigt: In den letzten 20 Jahren haben sich die realen Silberpreise verdoppelt, während das Gesamtangebot an Silberschrott von 199 Mio. t im Jahr 2004 auf 177 Mio. t im Jahr 2023 zurückgegangen ist. Die Zusammensetzung des Schrottangebots ist ein essentieller Faktor. Während die industrielle Produktion massiv zugenommen hat, ist die Nachfrage nach Fotoprodukten stark zurückgegangen. Das Angebot an Schrott aus Silberschmuck und Silberwaren schwankte in diesem Zeitraum. Den Analysen des Silver Institutes zufolge besteht zwischen Silberpreis und dem Angebot an Industrieschrott eine positive Korrelation von 0,65 für den Zeitraum 2011–2023. Die Beziehung zwischen Silberpreis und Silberschmuck- und Silberwarenschrott ist mit 0,93 erwartungsgemäß noch stärker.
Die Bedeutung des Recyclings für nachhaltiges Wirtschaften
Diese Analyse wäre unvollständig, wenn nicht auch der positive Beitrag des Gold- und Silberrecyclings zur Nachhaltigkeit gewürdigt würde. Im Zuge der steigenden Bedeutung der Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren wurde Urban Mining mitunter als einzige Alternative zum traditionellen Bergbau dargestellt. Dies ist eine unvollständige Sichtweise, da alle oberirdischen Gold- und Silbervorräte irgendwann einmal abgebaut werden mussten. Wenn man sich ausschließlich auf recycelte Edelmetalle verlässt, lassen sich die vermeintlich negativen Umweltauswirkungen nicht völlig ausschalten. Allerdings könnte die Rückgewinnung von Altgold aus Abfällen, bevor sie auf Deponien landen, in der Regel ressourceneffizienter sein als die Gewinnung aus dem Bergbau. Um diesen Unterschied zu quantifizieren: Bei der Gewinnung einer Unze Gold durch den traditionellen Bergbau wird im Durchschnitt etwa eine Tonne CO2 emittiert.[8]
Durch das Recycling von Gold und Silber wird der Bedarf an traditionellen Bergbaupraktiken reduziert, wodurch sich der mit der Produktion verbundene CO2-Fußabdruck verringert. Da Gold gleichsam auf ewig genutzt werden kann und die CO2-Emissionen hauptsächlich bei der ursprünglichen Gewinnung anfallen, weist Gold einen sehr kleinen CO2-Fußabdruck auf. Daher spart jedes Recycling etwa 90% der bei der Förderung anfallenden CO2-Emissionen. Dies muss jedoch in Relation gesetzt werden: Aluminium, Stahl, Kupfer, Kohle und Zink haben einen deutlich größeren CO2-Fußabdruck als Gold. Für umweltbewusste Anleger ist dies ein überzeugendes Argument für eine Goldallokation, um eine bessere Gesamtnachhaltigkeitsbewertung ihres Portfolios zu erreichen.
Emissionsintensität pro Einheitswert, in kg CO2/USD
Quelle: Metals Focus, S&P Global Market Intelligence, World Steel Association & EIU, World Gold Council, Incrementum AG
Infolge der geopolitischen Spannungen erhält das Recycling nun auch eine strategische Bedeutung. Schließlich mindert Recycling den Bedarf an neugeförderten Metallen, die mitunter aus Ländern bezogen werden müssen, denen das Importland kritisch gegenübersteht. So bezieht die EU 100% ihrer Nachfrage nach Seltenen Erden aus China, 98% der Bor-Nachfrage aus der Türkei und 71% des Platin-Bedarfs aus Südafrika. Daher sollen in der EU bis 2030 zumindest 25% des Jahresverbrauchs der 34 als kritischer Rohstoff gelisteten Mineralien in der EU aus dem Recycling gewonnen werden. Damit würde auch ein Beitrag zum Aufbau der von der EU gewünschten Kreislaufwirtschaft geleistet werden.
Wo werden Edelmetalle recycelt?
Es gibt gute Argumente für das Recycling von Silber und Gold. Und der bedeutende Anteil des recycelten Materials am Gesamtangebot spricht Bände. Die offensichtlichen Fragen lauten nun: Wo und wie werden die Edelmetalle recycelt?
Der Recyclingmarkt für Gold kann im Allgemeinen in zwei Kategorien unterteilt werden: Recycling für hochgradiges und für niedriggradiges Gold. Je nach Kategorie haben unterschiedliche Faktoren Einfluss auf den Recyclingstandort.
Hochwertiger Schrott
Hochwertiger Schrott besteht in der Regel nur aus Metallschrott, d. h. aus verschiedenen Metallen und weist einen Goldgehalt von mindestens 40% auf. In der Regel handelt es sich um Schmuck. Aufgrund seines hohen Wertes und der damit verbundenen teuren Transport- und Versicherungskosten wird ein Großteil dieses hochgradigen Schrotts im Herkunftsland raffiniert.
Auch beim Edelmetallrecycling nehmen die USA mit 100t Altgold im Jahr 2023 wieder eine Schlüsselrolle ein. Daher sind mehrere große Raffinerien mit Sitz in den USA auf das Goldrecycling spezialisiert, darunter Johnson Matthey, das mittlerweile zu Asahi Refining gehört, The Refining Company oder Palladium Refining. Auch auf China und Indien entfällt ein erheblicher Anteil des weltweiten Goldrecyclings. Führende Raffinerien für Goldrecycling sind die China National Gold Group und die Shenzhen Zhongjin Lingnan Nonferrous Metal Company.
In Europa hat Italien eine gut etablierte Schmuckindustrie, vor allem in Städten wie Florenz und Vicenza. Die Konzentration des Landes auf hochwertigen Goldschmuck und Luxusgüter hat einen robusten Markt für recyceltes Gold geschaffen. Darüber hinaus profitiert der italienische Goldrecyclingmarkt auch von den offenen Grenzen der EU und importiert große Mengen an Altgold aus den Nachbarländern.
Eine ähnlich zentrale Rolle spielt Dubai, dessen Bedeutung für den Goldhandel wir in einem ganzen Kapitel im In Gold We Trust Report 2024 gewürdigt haben. Dubai ist zwar als Goldzentrum des Nahen Ostens bekannt – mittlerweile werden zwischen 20 und 30% des weltweit gehandelten Goldes pro Jahr via Dubai abgewickelt – aber es überrascht nicht, dass hier auch große Mengen an Goldrecycling für die Nachbarländer abgewickelt werden, denen es an Goldraffinerieanlagen fehlt.[9] Heute sind in Dubai einige der weltweit größten Raffinerien mit umfangreichen Recycling-Kapazitäten tätig, wie MTM Gold Refinery DMCC, Emirates Gold und SAM Precious Metals.
Die Schweiz, das weltweit dominierende Goldraffinerieland, ist – wenig überraschend – auch ein wichtiger Akteur im Goldrecycling. Hier befinden sich fünf der größten und wichtigsten Raffinerien der Welt, nämlich MKS PAMP, Argor-Heraeus, Metalor, Valcambi und Cendres Métaux. Etwa 70% des weltweit geförderten Goldes werden hier verarbeitet und geprägt. Valcambi ist auch die größte Raffinerie der Welt und verarbeitet mehr als 2.000 t Gold, Silber, Platin und Palladium pro Jahr.
Eine repräsentative Befragung von 2.633 Schweizern durch die Universität St. Gallen im Auftrag von philoro Edelmetalle im Jahr 2023 zeigt die weite Verbreitung des Goldrecyclings in der Schweiz auf. Bereits 52% der Befragten gaben an, mindestens einmal alten Goldschmuck verkauft zu haben. Die 35% der Befragten die „schnelles Geld“ als Grund für den Verkauf angaben, konnten sich besonders über die Goldpreisrally und die hohe Liquidität von Gold freuen. Um angemessen zu profitieren und einen adäquaten Verkaufspreis zu erzielen, sind jedoch sowohl die Preisschätzungsmethode als auch die Seriosität des Ankäufers essenziell. 12% der Befragten gaben an, dass eine Schätzung nach Bauchgefühl oder Augenmaß vorgenommen wurde, während nur 10% zur Preisermittlung die Anwendung der präzisen Methode der Röntgenfluoreszenzanalyse verlangten.
Minderwertiger Schrott
Minderwertiger Schrott hat einen sehr geringen Edelmetallgehalt von nur etwa 1% oder weniger und ist daher weniger riskant zu transportieren. Infolgedessen besteht nicht nur ein weltweiter Wettbewerb, sondern auch eine geringere Anzahl von Raffinerien, die dieses Material verarbeiten können.
Weltweit gibt es unzählige Gold- und Silberraffinerien; die wichtigsten haben die Akkreditierung der LBMA für die Einhaltung der strengen Standards der Good Delivery oder des Responsible Jewelry Council (RJC) für die Chain of Custody erhalten. Die weltweit führenden Raffinerien sind: Agosi (Pforzheim, DEU); Argor-Heraeus (Mendrisio, CH); Cendres + Métaux (Biel, CH); Emirates-Gold (Dubai, ARE); Engelhard (Newark, USA); Heimerle+Meule (Pforzheim, DEU); Heraeus (Hanau, DEU); Johnson Matthey (London, GBR); Metalor (Neuchâtel, CH); PAMP (Castel San Pietro, CH); Perth Mint (Perth, AUS); Rand Refinery (Germiston, ZAF); Tanaka-Kikinzoku (Tokio, JAP); Umicore (Brüssel, BEL); Valcambi (Balerna, CH).
Der von der LBMA definierte Good-Delivery-Standard (GDG) legt nicht nur strenge Kriterien für Gold- und Silberbarren fest, sondern enthält auch eine Liste aller zugelassenen Raffinerien, die Gold- und Silberbarren nach diesen Kriterien herstellen. Die von der GDG zugelassenen Raffinerien müssen beispielsweise mindestens 10 t raffiniertes Gold oder 50 t raffiniertes Silber pro Jahr herstellen, seit langem auf dem Markt vertreten sein, über eine gute Finanzlage verfügen und Barren von etwa 400 Feinunzen für Gold bzw. 1.000 Feinunzen für Silber produzieren. Darüber hinaus sind genauestens festgelegt der gesamte Gießprozess, das endgültige Aussehen, die Markierungen, die Größe und w Spezifikationen. Zudem müssen alle Barren, die nicht den hohen technischen Standards entsprechen, von den Raffinerien als NGD, d. h. Non-Good Delivery, in der Nähe des von der LBMA zugelassenen Herstellerzeichens gestempelt werden. Strenge, unabhängige Qualitätskontrollen sichern die Einhaltung der hohen Standards.
Der Erfolg des OTC-Handels mit Edelmetallen auf dem Loco London Markt basiert maßgeblich auf dem hohen Ansehen und der breiten Akzeptanz des Good-Delivery-Standards. Dank dieser Zertifizierung vertrauen alle Marktteilnehmer darauf, dass die gehandelten Barren einheitlich in Feinunzengewicht, Reinheit und Aussehen sind. Aktuell erfüllen insgesamt 85 Raffinerien in 27 Ländern die strengen Good-Delivery-Kriterien.
Der Standard der London Bullion Market Association (LBMA) dient vielen internationalen Börsen als Referenz – darunter ICE, CME Group, TOCOM, die Shanghai Gold Exchange und das Dubai Multi Commodities Centre. Einige Märkte wie die Borsa Istanbul oder die Singapore Bullion Market Association übernehmen die LBMA-Kriterien ganz oder teilweise für ihre eigene Raffinerie-Zulassung.
Doch entscheidend ist: Erst die Annahme durch einen Londoner Tresorverwalter macht einen zertifizierten Barren zum „London Good Delivery“ (LGD). Damit sind die Londoner Tresore die eigentlichen Torwächter des Marktes – sie garantieren die letzte Instanz der Qualitätssicherung.
Die wichtigsten Schritte beim Recycling von Gold und Silber
Das Recycling von Gold und Silber erfolgt nach ähnlichen Verfahren, wobei es aufgrund der spezifischen Eigenschaften der beiden Metalle auch einige Unterschiede gibt. Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Schritte beim Gold- und Silberrecycling.
Beschaffung
- Gold: Gold kann aus altem Schmuck, Elektronik (z. B. Smartphones, Computern und Leiterplatten), Zahnersatz oder Industriemaschinen gewonnen werden.
- Silber: Silber wird oft aus Schmuck, Münzen, Besteck, fotografischen Filmen, Elektronik und alten Spiegeln gesammelt.
Sortierung und Vorbehandlung
- Die Gegenstände werden sorgfältig sortiert, um Gold und Silber von anderen Materialien zu trennen.
- Gold: Schmuck oder elektronische Geräte müssen möglicherweise zerlegt werden, um Goldkomponenten (z. B. Stecker oder Stifte) zu isolieren.
- Silber: Silbergegenstände werden gereinigt, um Beschläge oder Verunreinigungen zu entfernen, und nach ihrer Reinheit sortiert.
Schreddern oder Zerkleinern
- Bei größeren Gegenständen oder Schüttgut werden Gold und Silber geschreddert oder zerkleinert, um die Gewinnung zu erleichtern.
- Elektronische Geräte werden zum Beispiel oft zerkleinert, um kleine Gold- oder Silberbestandteile freizulegen.
Schmelzen
- Sowohl Gold als auch Silber werden geschmolzen. Die Goldstücke werden in einen Ofen gegeben, wo sie auf eine Temperatur von etwa 1.064 °C, dem Schmelzpunkt von Gold, erhitzt werden. In diesem Stadium schmilzt das Gold in eine flüssige Form. Alle Nicht-Goldbestandteile, wie Steine oder Kunststoff, werden entfernt oder abgetrennt.
- Bei der Trennung von Silber und Gold spricht man vom Scheiden. Je nach gewünschtem Reinheitsgrad des Endgoldes wird entweder der Miller-Prozess oder das Wohlwill-Verfahren angewendet.
Affinierung
- Sobald das Gold geschmolzen ist, wird es affiniert, um Verunreinigungen und andere Metalle zu entfernen. Es gibt mehrere Affinationsmethoden, um Gold zu reinigen, darunter:
- Das Aqua-Regia-Verfahren: Hierbei handelt es sich um eine chemische Methode, bei der eine Mischung aus Salzsäure und Salpetersäure verwendet wird. Das Gold löst sich in dieser Mischung auf, und die Verunreinigungen werden abgetrennt. Das gelöste Gold wird dann mit anderen Chemikalien ausgefällt.
- Das elektrolytische Verfahren: Bei diesem Verfahren wird das Gold mit Hilfe von Elektrizität gereinigt. Das Gold wird in eine Goldchloridlösung gegeben, durch die ein elektrischer Strom geleitet wird. Das Gold wird auf einer Elektrode abgeschieden, wobei Verunreinigungen zurückbleiben.
- Das Kupellationsverfahren: Dabei wird das Gold in einem Kupolofen auf hohe Temperaturen erhitzt, wo es oxidiert und Verunreinigungen vom Kupolofen absorbiert werden, sodass reines Gold zurückbleibt.
- Beide Metalle werden verschiedenen Behandlungen unterzogen, um einen hohen Reinheitsgrad von in der Regel über 99% zu gewährleisten.
Klärung
- Manchmal sind weitere Reinigungsschritte erforderlich, um den höchsten Reinheitsgrad zu erreichen, insbesondere wenn das Metall für bestimmte hochwertige Anwendungen genutzt werden soll.
Gießen
- Nach der Reinigung werden sowohl Gold als auch Silber in Barren oder Münzen gegossen. So können sie gelagert, gehandelt oder in Fertigungsprozessen wiederverwendet werden.
- Gold: Gold wird häufig zu Barren gegossen, je nach Bedarf aber auch zu Münzen oder Schmuckstücken geformt.
- Silber: Nach der Raffination wird Silber in Barren, Münzen oder Bleche für die industrielle Verwendung gegossen.
Qualitätskontrolle und Wiedereinführung auf dem Markt
- Durch eine Endkontrolle wird sichergestellt, dass die Metalle den erforderlichen Reinheits- und Qualitätsstandards entsprechen.
- Sowohl Gold als auch Silber werden getestet, oft durch eine Analyse, um sicherzustellen, dass sie den Industriespezifikationen entsprechen.
- Der letzte Schritt im Recyclingprozess ist der Verkauf und Vertrieb des raffinierten Goldes. Recyceltes Gold wird an Hersteller verkauft, die es für die Produktion von neuem Schmuck, Elektronik oder Anlageprodukten verwenden.
- Gold aus recyceltem Schmuck ist von frisch gefördertem Gold nicht zu unterscheiden und stellt somit eine wertvolle Ressource für eine Vielzahl von Branchen dar. Da die Nachfrage nach Gold weiter steigt, spielt recyceltes Gold eine immer wichtigere Rolle bei der Deckung des Bedarfs.
Fazit
Trotz der wachsenden Beliebtheit von Gold und Silber fand das Recycling von Edelmetallen bislang wenig Beachtung. Dabei macht recyceltes Gold 25% des gesamten Goldangebots und recyceltes Silber 18% des Silberangebots aus. Der Rest des Angebots für beide Metalle wird durch den traditionellen Bergbau gedeckt. Überraschenderweise bewegt sich das Ratio zwischen Recycling und Neuförderung in einem vergleichsweise engen Band, auch wenn die absolute Höhe der recycelten Gold- bzw. Silbermenge durchaus spürbaren Schwankungen unterworfen ist.
Bei Gold entfällt der größte Anteil des Recyclingangebots auf Schmuck (90%). Auch Elektroschrott hat sich in den vergangenen Jahren zu einer immer wichtigeren Quelle entwickelt. Diese Zusammensetzung des Altgoldangebots liefert auch eine Erklärung für die Preisempfindlichkeit: Trotz seines Umfangs und seiner Flexibilität ist das Altgoldangebot überwiegend preisempfindlich. Der Hauptgrund dafür sind die menschliche Psyche und Präferenzen. In Notzeiten wie Rezessionen oder Währungskrisen verkaufen Menschen ihr Gold gegen Bargeld oder reagieren irrational auf das Erreichen von Rekordpreisen.
Da Silber stärker in der Industrie verwendet wird und einen viel geringeren Anteil an der Versorgung des Schmuckmarktes hat, spiegelt die Recyclinglandschaft diese Zusammensetzung wider. Zum einen wird aufgrund zu geringer Mengen ein erheblicher Teil des in Industrieprodukten enthaltenen Silbers nie recycelt werden. Außerdem stammt der größte Anteil des Recyclingangebots nach wie vor aus der Industrie, seien es Leiterplatten, Solarpaneele oder Röntgenfilme. Preise von Silberschrott aus Schmuck und Silberwaren reagieren hingegen ähnlich wie bei Gold aufgrund größerer „Flexibilität“ sehr viel sensibler, schließlich kann Schmuck zu so gut wie jedem Zeitpunkt gegen Bargeld verkauft werden.
Unsere Analyse offenbart eine bemerkenswerte Entwicklung: Seit 2015 stagniert der Anteil von recyceltem Gold am globalen Gesamtangebot bei etwa 25%. Selbst die deutliche Goldpreisrally zwischen 2022 und 2024 führte lediglich zu einem marginalen Anstieg des Recyclinganteils um 3,6 Prozentpunkte auf nun 27,5% – weit unter den historischen Werten vor 2015. Diese erstaunliche Resistenz gegen Preisanreize markiert einen fundamentalen Wandel: Gold ist nicht länger bloßes Handelsgut, sondern wird zunehmend als strategischer Vermögenswert gehalten – die ultimative Absage an den Fiat-Gedanken.
[1] Siehe „Goldene Chancen im Minensektor“, In Gold We Trust-Report 2021; „Minenaktien: Die Party hat begonnen“, In Gold We Trust-Report 2020; „Minenaktien – Mehr als ein Silberstreif am Horizont?“, In Gold We Trust-Report 2018
[2] Siehe „Asteroiden- und Tiefseebergbau: Science-Fiction oder die nächste Innovationswelle im Minensektor?“, In Gold We Trust-Report 2024
[3] Siehe „Lebenszyklus eines Minenprojekts“, In Gold We Trust-Report 2023
[4] Siehe „Stock-to-Flow Ratio als wichtigster Grund für die monetäre Bedeutung von Gold“, In Gold We Trust-Report 2013
[5] Siehe „Die Stock-To-Flow Ratio als wichtigster Grund für die monetäre Bedeutung von Gold“, In Gold We Trust-Classics, 2012
[6] Siehe auch „Breakout oder Fake-out: Der goldene Moment für Silber?“, In Gold We Trust-Report 2024; „Silbers goldene Ära?“, In Gold We Trust-Report 2023
[7] Siehe auch „Breakout oder Fake-out: Der goldene Moment für Silber?“, In Gold We Trust-Report 2024; „Silbers goldene Ära?“, In Gold We Trust-Report 2023
[8] Siehe „Die neue emissionsarme Wirtschaft: Gold als Retter?“, In Gold We Trust-Report 2022
[9] Siehe „Dubai, die goldene Oase, die den Goldmarkt der VAE aufblühen lässt“, In Gold We Trust-Report 2024