Stock-to-flow: Die besondere Anomalie der Goldaktien
Aufmerksame Leser unserer Reports sind mittlerweile bestens mit dem Konzept des Stock to Flow Ratios vertraut. Gold und Silber werden aufgrund dieses Charakteristikums auch als Bestandsrohstoffe bezeichnet. Uns ist an dieser Stelle wichtig, diese spezielle Eigenschaft in Verbindung mit Goldaktien zu bringen.
Gold unterscheidet sich von allen anderen Verbrauchsrohstoffen (also auch von den Edelmetallen Platin und Palladium!) dadurch, dass die geförderte Menge des Rohstoffes zum größten Teil gehortet und nicht verbraucht wird. Die gesamte gehortete Reservemenge an Gold wird in Form von Münzen, Barren, Kunst und Schmuck aufbewahrt. Der hohe Reservebestand wirkt wie ein riesiges „Warenlager“ und hat zur Folge, dass lange Phasen von überschussigem Angebot auftreten können.
Der Preis kann unter Umständen über Jahre hinweg deutlich unter die Förderkosten fallen, wenn z.B. die industrielle Nachfrage aus dem Bestand bedient wird. Häufig heißt es, dass der Goldpreis niemals unter die Produktionskosten fallen könne. Das vielzitierte Argument einer natürlichen Untergrenze ist bei Gold nicht zulässig.
Daher rührt auch ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu den anderen Rohstoffproduzenten. Eine Demonetarisierung eines monetären Metalles bewirkt typischerweise den Abbau von Reservebeständen. Zu erwähnen ist hier beispielsweise die Übergangsphase vom Bimetall-Standard zum Goldstandard. Silber wurde demonetarisiert, die monetären Bestände wurden in den folgenden Jahrzehnten für die industriellen Bedürfnisse freigesetzt. Das Wegfallen der monetären Nachfrage hat sich entsprechend negativ auf den Preis ausgewirkt. Dies lässt sich unter anderem auch anhand des Gold/Silber-Ratios ablesen.
Gold/Silber-Ratio seit 1800
Quelle: Measuringworth.com, Incrementum AG
Umgekehrt tritt im Zuge einer Remonetarisierung ein massiver, struktureller Nachfrageüberhang auf. So kann beispielsweise in einem Fiatgeldsystem, in dem über Jahrzehnte hinweg stabile Geldpolitik betrieben wurde, ein Paradigmenwechsel der Geldpolitik plötzlich massive monetäre Nachfrage nach Gold und Silber auslösen. Ein gutes Beispiel liefern hier die 70er Jahre. In diesem Fall wird der Preis signifikant über die Förderkosten steigen und kann zu einer jahrelangen Hausse bei Goldminen führen.
Barrons Gold Mining Index seit 1939 (logarithmische Skalierung)
Quelle: www.nowandfutures.com, Incrementum AG
Die Anomalie der Bestandsrohstoffe führt daher auch zu einer Anomalie bei den Produzenten. Ein solcher Superzyklus wird unserer Meinung nach in erster Linie durch langfristige Änderungen in der Finanzordnung ausgelöst. Für Mining-Unternehmen und MiningInvestoren hat dies folgende wesentliche Konsequenzen:
- Historisch sind überdurchschnittlich lange Bullen- und Bärenmärkte bei Goldaktien zu erkennen
- Der Superzyklus wird ausgelöst durch fundamentale Änderungen der monetären Rahmenbedingungen
- Die langfristig anhaltenden Trends haben auch Auswirkungen auf die Corporate Governance
- Nach ausgedehnten Boomphasen bewirken die strukturell hohen Margen häufig suboptimalen Umgang mit den Unternehmensressourcen
- Ausgiebige Depressionsphasen zwingen die Branche zu einer massiven Konsolidierung, die verbleibenden Unternehmen werden zu extremer Effizienz gezwungen
- Für Investoren ergeben sich insbesondere nach Jahren der Konsolidierung besonders interessante Einstiegszeitpunkte
- Der ungewöhnlich hohe Top-Down Einfluss der geldpolitischen Geschehnisse auf diese Anlageklasse spricht für eine aktives Timing der Minenaktien
Die nachfolgende Grafik illustriert, dass Goldaktien alles andere als “buy and hold”-Investments darstellen und aktiv verwaltet werden müssen. Dies bestätigt auch das folgende Zitat: “Market and sector forces together typically cause 80% of the price movement in a stock. That means the company fundamentals usually account for less than 20% of a stock’s price movement. This is the reason a company’s stock price sometimes seems to move independently of the fundamentals”.[1]
Amex Gold Bugs Index: Bullenmarkt- und Bärenmarkzyklen seit 1999
Quelle: Datastream, Incrementum AG
[1] “The Latent Statistical Structure of Securities Price Changes” Benjamin F. King