In Gold We Trust-Nuggets

Einleitung: The Big Long

Einleitung: The Big Long

“There is no fever like gold fever.”

Richard Russell

  • Die von uns im In Gold We Trust-Report 2020 angekündigte goldene Dekade ist voll im Gange. Ein neuer, säkularer Bullenmarkt formiert sich.
  • Der Big Long ist unser erneuter Aufruf, die unter Investoren meist geringe Goldallokation grundlegend zu hinterfragen und Sicherheits- wie Performance-Gold in spürbarem Umfang zu gewichten.
  • Die viel diskutierte Zoll- und Handelspolitik ist nur ein Aspekt einer umfangreichen Neuausrichtung der USA. Donald Trump hat mit dem Liberation Day ein systemisches Beben ausgelöst, an dessen Ende eine Neuordnung der internationalen Handels- und Währungsarchitektur stehen könnte.
  • Das Triffin-Dilemma rückt wieder ins Zentrum der Währungsdiskussion: Ein nachhaltiger Ausweg kann nur über ein neutrales Reserve-Asset wie Gold oder Bitcoin führen.
  • Relative Stärke als Trendwende-Signal: Gold hat nicht nur in US-Dollar neue Allzeithochs erreicht, sondern auch gegenüber Aktien und Anleihen an Stärke gewonnen. Diese relative Stärke signalisiert den Beginn einer neuen Trendphase.
  • Drawdowns sind integrale Bestandteile säkularer Bullenmärkte. Besonders bei Performance-Gold sind eine vernünftige Streuung und ein aktiver Investmentansatz von Vorteil. Aufstockungen in Schwächephasen bieten sich an.
  • Das im In Gold We Trust-Report 2024 vorgestellte „Neue Gold-Playbook“ ist weiterhin intakt. Asien wird für die Goldpreisbildung immer bedeutender. Spät aber doch beginnen nun auch westliche Finanzinvestoren, ihr Faible für Gold wiederzuentdecken.

„Die Wahrheit ist wie Poesie – und die meisten Menschen hassen Poesie.“ So formuliert ein Barkeeper im Film „The Big Short“ jene wenig schmeichelhafte Einsicht, die im Volksmund lautet: „Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.“ Ähnlich erging es bis vor kurzem auch Gold, insbesondere in der westlichen Finanzindustrie. Als sicherer Hafen – also als Sicherheitsgold – galt es lange als antiquiert. Als renditestarker Vermögenswert, sprich als Performance-Gold, wurde es als Träumerei, wenn nicht sogar als Hirngespinst abgetan.

Im Kern geht es in The Big Shortursprünglich ein Buch von Michael Lewis – um das Aufspüren und Monetarisieren volkswirtschaftlicher Fehlallokationen. The Big Short veranschaulicht, wie eine Kombination aus Niedrigzinsen, laxen Bonitätsprüfungen und übermäßigem Leverage eine gefährliche Euphorie entstehen ließ, die durch scheinbar unfehlbare Finanzinnovationen und geschönte Bewertungen der Ratingagenturen verstärkt wurde. Manche sahen, was alle hätten sehen können – doch nur wenige hatten den Mut, sich gegen den Markt zu stellen und den Big Short zu wagen.

Im tieferen Sinne handelt The Big Short von philosophischen Gegensätzen: Contrarians gegen den Mainstream, Main Street gegen die Wall Street, Systemkritiker gegen Systemgläubige. So wie sich einst Außenseiter rund um die Investoren Michael Burry und Steve Eisman positionierten, hat sich die Ausgangslage am Kapitalmarkt in den letzten Monaten zugespitzt. Investoren sehen sich aktuell mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Sind Staatsanleihen, selbst die Benchmark-Anleihen der USA und Deutschlands, noch sichere Häfen?
  • Ist die Ära der US-Dominanz zu Ende? Befindet sich der US-Dollar am Beginn eines Bärenmarktes? Waren die zwischenzeitlichen Bewertungen der MAG7 am Ende doch heillos übertrieben?
  • Ist Gold mittlerweile zu teuer?

Auf die letzte Frage lautet die konventionelle Antwort aktuell wohl: Es ist nun zu spät für einen Einstieg in Gold. Der Goldpreis ist bereits zu hoch, das weitere Kurspotenzial daher bestenfalls begrenzt.

Die goldene Dekade: Der Beginn der 2. Halbzeit

Wir sind hingegen davon überzeugt, dass diese weit verbreitete Einschätzung unzutreffend ist. Unsere Kernthese lautet: Der Goldbullenmarkt der vergangenen Quartale ist die Manifestation einer langfristigen Aufwärtsbewegung, die wir im In Gold We Trust-Report 2020 mit dem Titel „Aufbruch in eine goldene Dekade“ angekündigt hatten. Wir wurden dafür vom Mainstream mit Skepsis und teilweise sogar mit Häme bedacht, wie so manche Protagonisten in The Big Short Mitte der 2000er-Jahre. Doch die Zahlen sprechen für sich. Seitdem wir die goldene Dekade ausgerufen haben, ist der Goldpreis in US-Dollar um 92% gestiegen bzw. hat der US-Dollar um fast 50% gegen Gold abgewertet.

Trotz des wachsenden Interesses bleiben die institutionellen Allokationen gering. Family Offices widmen Gold und Edelmetallen lediglich 1% ihrer Portfolios – ein Anteil, der mit Investitionen in Kunst, Antiquitäten oder Infrastruktur gleichzieht, jedoch weit hinter den Allokationen in Private Equity, Immobilien oder selbst Bargeld zurückbleibt. Angesichts dieser Zurückhaltung birgt der Big Long beträchtliches Potenzial, sobald westliche Finanzinvestoren die herausragenden Portfolioeigenschaften von Gold wiederentdecken.

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Basierend auf unserem Incrementum Goldpreismodell [1] hatten wir 2020 zwei Goldpreisprojektionen – ein Basisszenario und ein inflationäres Szenario – präsentiert. Die impulsive Hausse seit Jahresbeginn hat den Goldpreis bereits fast auf den Projektionspfad des inflationären Szenarios gehoben.

Gold, in USD, 01/2020–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Klarerweise war im Mai 2020 – als die ersten Corona-Lockdowns gerade ihr Ende gefunden hatten – nicht absehbar, wie turbulent die ersten 5 Jahre dieser Dekade werden würden. Unsere Analysen der Veränderungen im Denken und Handeln der politischen wie ökonomischen Akteure, sowohl vor 2020 als auch in den Jahren danach,[2] zeigten allerdings eindeutig, dass die Weichen für Gold gestellt waren.

prior reports

Und es besteht für uns kein Grund, nun zur Dekaden-Halbzeit von dieser Überzeugung abzuweichen. Gold ist der Ronald Koeman der Vermögensallokation: defensiv verlässlich, strategisch klug und mit offensivem Potenzial ausgestattet. Koeman, der torgefährlichste Verteidiger der Fußballgeschichte, steht exemplarisch für diese Doppelfunktion. Auch Gold erfüllt beide Rollen – es agiert als Absicherung in der Defensive und eröffnet Chancen in der Offensive.

Nun werden wir Zeugen, wie ein säkularer Bullenmarkt langsam auch im Mainstream ankommt. Die Public-Participation-Phase – bezeichnenderweise auch als Big-Move-Phase bekannt – ist gemäß Dow-Theorie die zweite von insgesamt drei Phasen in einem Bullenmarkt. Diese längste und dynamischste Etappe eines Bullenmarkts zeichnet sich durch eine zunehmend optimistische Berichterstattung der Medien aus. Gleichzeitig steigen das spekulative Interesse und die Handelsvolumina deutlich an, neue Finanzprodukte werden lanciert, und Analysten passen ihre Kursziele nach oben an. Unserer Einschätzung nach befinden wir uns aktuell in der Mitte dieser Phase, die schließlich in einer finalen Mania-Phase münden wird.

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Das Momentum der Goldpreishausse ist beeindruckend. Gold hat in US-Dollar im Vorjahr 43 neue Allzeithochs erzielt, die zweithöchste Anzahl nach 1979 mit 57, dicht gefolgt von 1972 und 2011 mit jeweils 38. Seit Jahresbeginn verzeichnete Gold per 30. April 22 weitere neue Allzeithochs.

Gold, in USD, und neue Allzeithoch-Schlusskurse, 01/1970–04/2025

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Quelle: 3Fourteen Research, World Gold Council, LSEG, Incrementum AG

Auch wenn es angesichts etlicher Allzeithochs und des raschen Durchbrechens der Marke von 3.000 USD auf den ersten Blick nicht so wirken mag: Im historischen Vergleich fällt die aktuelle Goldrally bislang vergleichsweise moderat aus.

Historische Goldausbrüche (Startkurs = 01/01/2024), in USD, 01/2024–09/2028

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Quelle: TheDailyGold, LSEG, Incrementum AG

In den vergangenen Monaten rückte Gold verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit, da Gold auf absoluter Basis zahlreiche neue Allzeithochs erreichte und damit terra incognita betrat. Aus unserer Sicht jedoch verdient ein anderer Aspekt noch größere Beachtung: Wer unter die „Motorhaube“ des Marktes blickt, erkennt, dass Gold inzwischen auch auf relativer Ebene technische Ausbrüche verzeichnet. Speziell die nun einsetzende relative Stärke gegenüber Aktien deutet auf den Beginn einer neuen Trendphase hin.

Gold vs. Cash (US 3M TR), Anleihen (US 10Y TR), und Aktien (S&P 500 TR) (log), 100 = 31/12/1970, 01/1971–04/2025

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Quelle: Robert J. Shiller, Topdown Charts, LSEG, Incrementum AG

The Big Long bedeutet in diesem Zusammenhang allen voran eines: Für bestehende Goldinvestoren bleibt Halten die strategisch sinnvolle Option. Doch auch für Anleger, die bislang noch nicht in Gold investiert waren, ist ein Einstieg nach wie vor attraktiv. Über die ideale Portfoliogewichtung von Gold lässt sich trefflich streiten. Bezeichnend ist jedoch, dass der Investment-Mainstream Goldallokationen, wenn überhaupt, meist nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich empfiehlt und umsetzt. Diese Zurückhaltung begründet sich in der Tatsache, dass Gold als nicht-produktiver Vermögenswert keine Dividenden ausschüttet. Doch die historische Betrachtung zeigt: Gerade in marktkritischen Phasen übertraf Gold regelmäßig Assets wie Aktien und Anleihen. Diesen Umstand sollten Investoren bei ihrer strategischen Asset-Allokation jedenfalls berücksichtigen.[3]

Bei der Frage nach der konkreten Höhe der Goldallokation empfiehlt es sich, zwischen Sicherheitsgold und Performance-Gold zu unterscheiden. Der Big Long betont das Potenzial von Performance-Gold in den nächsten Jahren: Silber, Minenaktien, aber auch Rohstoffe zählen aus unserer Sicht zu den aussichtsreichen Portfoliobausteinen des Big Longs, die wir auf Basis unseres neuen 60/40-Portfolios in „Das neue Gold-Playbook“ 2024 detailliert vorstellten.

Das neue 60/40-Portfolio: Subkategorien

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Quelle: Incrementum AG

Bei all unserer Zuversicht wollen wir im selben Atemzug aber betonen: Ein säkularer Bullenmarkt verläuft niemals ohne Rückschläge. Korrekturen von 20, 30 ja bis zu 40% waren in der Vergangenheit mehrfach zu beobachten. Die Kursturbulenzen im Anschluss an den Liberation Day am 2. April waren eine Erinnerung daran, auch wenn sich Gold rasch wieder erholte und wenige Tage später weitere USD-Allzeithochs markierte.

Gold-Drawdown-Vergleich in Bullenmärkten, in USD, 12/1969–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Bei Performance-Gold wie Silber oder Minenaktien fallen Kursrückschläge meist noch deutlich ausgeprägter aus, wie der nächste Chart zeigt. Ein konsequentes Risikomanagement ist deshalb unabdingbar.[4]

Goldminenaktien*-Drawdown-Vergleich in Bullenmärkten, in USD, 12/1969–04/2025

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Quelle: LSEG, Nick Laird, Incrementum AG
*BGMI 12/1969–05/1996, HUI 05/1996–

Der Trump-Schock: Die ökonomische und politische Neuausrichtung der USA

Mit der Rückkehr Donald Trumps wurde eine tiefgreifende Neuausrichtung der USA und damit der Weltwirtschaft, womöglich sogar der globalen (Währungs-)Ordnung, eingeleitet. Auch wenn die Konsequenzen der vielen, teils chaotisch anmutenden Maßnahmen nicht vollends absehbar sind, tragen sie maßgeblich zu einem positiven Umfeld für Gold und den Big Long bei.

Für die Weltwirtschaft von immanenter Bedeutung ist Trumps Ansinnen, die US-Wirtschaft grundlegend zu reformieren. Der fulminante Wahlsieg, die Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus sowie ein republikanisch dominierter Supreme Court verleihen Trump enorme politische Macht. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Interpretation der Strategie lassen sich drei fundamentale Trends identifizieren, die gestoppt bzw. umgekehrt werden sollen:

  • die stetig fortschreitende staatliche Überschuldung,
  • die chronischen Handelsbilanzdefizite und die damit verbundene De-Industrialisierung der USA,
  • die Gefährdung des Reservewährungsstatus des US-Dollars durch die De-dollarization.

Defizite, DOGE & Detox: Die USA auf Sparkurs?

Wenn man Trumps Worten glauben kann, dann hat der selbsternannte King of debt– zumindest verbal – abgedankt. Die stabilitätsgefährdende Dynamik bei den Staatsschulden, die wir in den vergangenen In Gold We Trust-Reports regelmäßig aufgezeigt hatten, ist im Mainstream angekommen und steht nun im Fokus der Trump-Administration. Kaum etwas veranschaulicht diese Verschuldungssituation besser als die Tatsache, dass die USA mit über 1 Bill. USD jährlich mittlerweile mehr Zinsen für ihre Staatsschuld aufzuwenden haben, als sie für ihren durchaus großzügig dotierten Verteidigungshaushalt ausgeben.

Zinssatz der US-Gesamtverschuldung und US-Leitzins (lhs), und US-Zinsleistungen (rhs), in % des US-BIP, Q1/1960–Q4/2028e

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Quelle: CBO, Federal Reserve St. Louis, LSEG, Incrementum AG

Ein Teil des Versuches, die Überschuldung in den Griff zu bekommen, besteht im Aufspüren bürokratischer Ineffizienzen. Die anfangs von DOGE erhofften jährlichen Einsparungen in Höhe von 1 Bill. USD entsprächen rund 15% der Ausgaben Washingtons. Damit könnte das Defizit ungefähr halbiert und fast unter die im 3–3–3-Plan vorgesehene Zielgröße von 3% gedrückt werden. Musk ruderte zuletzt deutlich zurück und nennt nun ein Einsparpotenzial von 155 Mrd. USD. Dass DOGE-Aktivitäten die Überschuldungsspirale nachhaltig stoppen, erscheint aktuell zweifelhaft.

Prognostizierte & realisierte DOGE-Einsparungen und Ausgaben der US-Bundesregierung, in Mrd. USD

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Quelle: The New York Times, DOGE, Incrementum AG

*Daten per 30/04/2025

Es gibt Hinweise darauf, dass Trump und sein Team gewillt sind, die US-Wirtschaft in eine Detox-Rezession zu schicken. Konzeptionell erinnert der Gedanke an die Lehren der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, deren Vertreter betonen, dass echte Wertschöpfung im privaten Sektor entsteht. Eine Schrumpfung des aufgeblähten Staatsapparats soll dem Unternehmertum Ressourcen freigeben, vergleichbar mit einem Fastenprozess, bei dem der Organismus entschlackt wird, um langfristig widerstands- und leistungsfähiger zu werden.

Doch wie beim Fasten gilt: Entgiftungen sind selten angenehm. Schmerzen, Schwindel, psychische Irritationen und Heißhunger gehören dazu, ebenso wie die Versuchung, das Programm frühzeitig abzubrechen. Die entscheidende Frage ist: Wird die Regierung den Entgiftungs-Kurs durchhalten – oder greift sie bei ersten Anzeichen einer markanten Konjunkturschwäche, schwerer Marktturbulenzen oder drohender Wahlniederlagen wieder auf das süße Gift schuldenfinanzierter Ausgaben zurück?

Gemäß GDPNow hält die Detox-Rezession in den USA bereits Einzug. Auch wenn hohe Importzahlen zum einen durch kräftige Goldimporte, zum anderen durch vorgezogene Importe im Vorfeld des Liberation Days die BIP-Zahlen verzerren, ist selbst der um Sondereffekte bereinigte Indikator inzwischen in den roten Bereich gerutscht. So negativ eine Rezession auch ist, der Goldpreis erhält durch sie in den USA tendenziell Rückenwind, wie unsere Analysen in den vergangenen Jahren zeigten.[5]

Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, würde der Druck auf die Federal Reserve, die Geldpolitik aggressiver zu lockern, erheblich steigen. Wir erwarten daher Zinssenkungen, die über das hinausgehen, was derzeit vom Markt eingepreist wird. Der folgende Chart zeigt: In den 24 Monaten nach der ersten Zinssenkung verzeichnete der Goldpreis in der Regel kräftigen Rückenwind. Besonders vorteilhaft für den Goldpreis sind große Zinsschritte von 50 Basispunkten oder mehr bzw. rasch aufeinanderfolgende Zinssenkungen.

Gold, in USD (lhs), und US-Leitzins (rhs), 01/2000–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Zur Verringerung der Schuldenlast möchten sich die USA abseits von operativen Einsparungen auch unkonventioneller Methoden bedienen. Mögliche Playbooks haben die beiden Vordenker Zoltan Pozsar[6] und Stephen Miran formuliert. Letzterer hat in „A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System“ ausgeführt, wie Verbündete der USA dazu gebracht werden sollen, ultra-langfristige Anleihen mit einer Laufzeit von 50 oder sogar von 100 Jahren zu zeichnen, während die Federal Reserve gleichzeitig USD-Swap-Linien zur Sicherung der Liquidität im Eurodollar-System[7] bereitstellt.[8]

Zudem soll der zollfreie Zugang zum US-Markt und der Schutz durch die US-Militärmacht von der Bereitschaft, den Finanzierungsbedarf Washingtons langfristig zu garantieren, abhängig werden. Das Ergebnis? Eine Forcierung der Dollarisierung verknüpft mit einer Einbindung anderer Länder in die geopolitische Machtsphäre der USA.

Die Trump-Administration hat sich darüber hinaus klar gegen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) positioniert. Mit der Executive Order 14178 wurde jede staatliche Initiative zur Etablierung einer digitalen Zentralbankwährung in den USA gestoppt. Stattdessen setzt die Regierung auf die Förderung privatwirtschaftlicher Innovationen im Bereich digitaler Finanztechnologie – allen voran dollarbasierte Stablecoins.

Diese Strategie ist nicht nur ideologisch begründet, sondern folgt auch einem finanzstrategischen Kalkül: Stablecoin-Emittenten wie Tether und Circle gehören mittlerweile zu den größten Käufern von US-Staatsanleihen. Insgesamt haben Stablecoin-Emittenten über 120 Mrd. USD an US-Treasuries in ihren Büchern, Tendenz stark steigend.

Auswahl bedeutender US-Staatsanleihen-Gläubiger, 12/2024

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Quelle: U.S. Department of the Treasury, Incrementum AG

Industriepolitik durch Handelspolitik: Die Rückkehr des Industriestandorts USA?

Ein weiterer Bestandteil der wirtschaftlichen Neuausrichtung ist die Reform der Handelsbeziehungen. Für Präsident Trump ist das hohe strukturelle Leistungsbilanzdefizit ein Beleg für die Ausbeutung der USA durch den Rest der Welt. Groß inszenierte er am 2. April den Liberation Day, an dem die neue Zollpolitik der USA bekanntgegeben wurde. Ersten Berechnungen zufolge liegt der durchschnittliche US-Zoll bei fast 30% und damit deutlich höher als in der Zwischenkriegszeit mit knapp 20% infolge des Smoot-Hawley-Tariff-Act im Jahre 1930.

Damals reagierte die Welt mit Vergeltungszöllen. Der Welthandel kollabierte und verschlimmerte die schwerwiegenden Folgen des Börsencrashs von 1929. Zwischen 1929 und 1933 sanken die US-Importe um 66% und die Exporte um 61%. Und auch gegenwärtig antworteten China und die EU mit Vergeltungszöllen, worauf die USA mit einer weiteren Erhöhung der Zölle reagierten Der Handelskonflikt mit China schaukelte sich zwischenzeitlich stark auf, Mitte Mai kam es zu einer Entspannung, die eine 90-täige Reduktion der Zölle während weiterer Verhandlungen vorsieht. Gegenüber den anderen Staaten läuft bereits etwas länger eine 90-tägige „Waffenruhe“ mit einem Basiszoll von 10%, die ebenso für Verhandlungen genutzt werden soll. Ob in 90 Tagen tatsächlich dutzende Handelsabkommen verhandelt werden können, ist angesichts der bisherigen durchschnittlichen Verhandlungsdauer von 18 Monaten für Handelsverträge unwahrscheinlich.

All diese Maßnahmen haben jedenfalls kurz- und mittelfristig eine negative Wirkung auf das US-BIP-Wachstum. Präsident Trump hofft, mit diesen Initiativen die Re-Industrialisierung der USA zu forcieren. Maßgeblich dazu beitragen soll eine Abwertung des US-Dollars. Gleichzeitig soll jedoch die Stellung des US-Dollars als unangefochtene globale Leit-, Handels- und Reservewährung sichergestellt werden. Mehrfach drohte Trump Staaten, die den US-Dollar als Handelswährung ersetzen wollen, mit drastischen Zöllen von 100%.

Diese Kombination aus schwachem US-Dollar und Beibehaltung des Reservewährungsstatus klingt nach dem sprichwörtlichen Wunsch nach „warmen Eislutschern“, nach einer Quadratur des Kreises. Die ökonomischen Vorzeichen zum Zeitpunkt seines zweiten Sieges bei den Präsidentschaftswahlen stehen für Donald Trump jedoch deutlich schlechter als bei seinem ersten Wahlsieg.

US-Makro- und Marktumfeld zu Beginn von Trump I vs. Trump II

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Quelle: Ruffer, LSEG, Incrementum AG

Re-Dollarisierung oder De-Dollarisierung?

Was die Pläne hinsichtlich der künftigen Bedeutung des US-Dollars angeht, ist noch vieles ungewiss. In Anlehnung an die beiden Währungsabkommen in den 1980er-Jahren[9] zirkuliert unter dem Begriff Mar-a-Lago-Akkord der Plan, den US-Dollar gegenüber anderen führenden Währungen deutlich abzuwerten. Trump und sein Team sind der – ökonomisch diskussionswürdigen – Auffassung, dass der überbewertete US-Dollar ein wesentlicher Grund für die Deindustrialisierung der USA sei.

Im Kern dieser Diskussion steht ein strukturelles Dilemma. Der Ökonom Robert Triffin, der u. a. bei der Federal Reserve und dem IWF arbeitete, zeigte bereits in den 1960er-Jahren auf, dass eine Nation, die eine globale Reservewährung emittiert, in einen Zielkonflikt zwischen kurzfristigen nationalen und langfristigen internationalen Zielen gerät. Die folgenden zwei Eigenschaften einer idealen Reservewährung seien demnach unvereinbar und bilden das Triffin-Dilemma:

  • Stabilität: Eine Währung ist nur dann stabil, wenn der Emittent eine ausgeglichene Leistungsbilanz aufweist.
  • Ausreichende internationale Bereitstellung der Reservewährung: Um die internationale Nachfrage nach der Reservewährung zu bedienen, muss die emittierende Nation ein Leistungsbilanzdefizit ausweisen.

Langfristig ist der Leitwährungsstatus zugleich Segen und Fluch: Segen deshalb, weil er es den USA erlaubt, mehr zu konsumieren als zu produzieren, und monetäre Inflation ins Ausland zu exportieren.

US-Leistungsbilanz, in Mrd. USD, 1960–2024

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Quelle: Bureau of Economic Analysis, Incrementum AG

Fluch ist der Status deswegen, weil ein permanentes Leistungsbilanzdefizit die Deindustrialisierung begünstigt und langfristig das Vertrauen in die Leitwährung untergräbt. Das globale Finanzsystem verlangt nach immer mehr US-Dollar-Liquidität, während zugleich die Basis für seine Stabilität erodiert.

Welche Möglichkeiten bestehen zur Lösung des Triffin-Dilemmas?

  • Multipolare Reserveordnung (Euro, Yuan etc.): Dieser Ansatz löst das Paradoxon nicht, verteilt den Druck aber auf mehrere Währungen. Weiterhin wäre es erforderlich, dass mehrere Länder chronische Leistungsbilanzdefizite aufweisen, sofern sie eine Aufwertung ihrer Währung vermeiden wollen.
  • Supranationale Reservewährung (z. B. Sonderziehungsrechte): Einen derartigen Vorschlag unterbreitete schon John M. Keynes im Zuge der Neuordnung der globalen Währungsordnung unter dem Namen Bancor. Dieser Ansatz macht die Versorgung globaler Liquidität unabhängig vom Leistungsbilanzdefizit des Landes mit der Weltleitwährung. Die Umsetzung bedarf einer engen globalen Kooperation.
  • Neutrales Reserve-Asset: Nachhaltig auflösen lässt sich das Paradoxon nur durch den Einsatz von neutralen Reserve-Assets wie Gold oder Bitcoin. Entscheidend ist, dass die Assets nicht inflationierbar sind, kein Gegenparteienrisiko haben und eine entsprechende Markttiefe aufweisen. Dies trifft aktuell ausschließlich auf Gold zu.

Es ist uns wichtig, zu betonen, dass die Debatte um das Triffin-Dilemma kontrovers geführt wird. Skeptiker argumentieren, dass ein Leistungsbilanzdefizit nicht zwangsläufig negativ zu bewerten ist, da es auch ein Zeichen hohen Vertrauens des Auslands in den inländischen Standort sein kann. Eugen von Böhm-Bawerk hatte einst sogar betont, dass die Kapitalbilanz die Leistungsbilanz befiehlt. Ein hohes Leistungsbilanzdefizit wäre demnach die Folge starker Kapitalzuflüsse und ein Beleg für die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts.

Ebenso gibt es Widerspruch gegen die These, dass ein Land, das die Weltreservewährung stellt, zwingend ein Leistungsbilanzdefizit aufweisen muss. Der Emittent der Weltreservewährung ist nicht darauf angewiesen, die zusätzlich in Umlauf gebrachte Geldmenge vorrangig für den Import von Gütern zu verwenden, vielmehr könnten ebenso gut ausländische Wertpapiere erworben werden oder man könnte seine Währung deutlich aufwerten lassen. Im ehemaligen D-Mark-Block galt die Stärke der Währung als Voraussetzung des wirtschaftlichen Erfolgs, weil sie fortlaufend zu Produktivitätssteigerungen und Innovationen „zwang“, um den drohenden Wettbewerbsverlust durch die Aufwertungen zu kompensieren.

Wirtschaftsliberale Kritiker von Trumps Zollpolitik argumentieren, dass das massiv angewachsene Budgetdefizit die eigentliche Ursache der wirtschaftlichen Ungleichgewichte sei. Zölle seien lediglich eine Symptombekämpfung mit potenziell gravierenden negativen Nebenwirkungen. Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass es strukturelle Verwerfungen gibt, womit sich die Frage nach einem Währungs-Reset stellt.[10]

Eine weitere, eventuell sogar rapide Abwertung des US-Dollars könnte den nächsten Schub in dieser Goldhausse einleiten. Ein Vergleich verschiedener Kennzahlen zum Zeitpunkt der letzten beiden säkularen Allzeithochs 1980 und 2011 mit der aktuellen Situation erhärtet unsere These des Big Long: Der Goldpreis hat weiterhin Luft nach oben. Besonders wichtig erscheint uns der aktuell deutlich höhere US-Dollar-Index – er liegt mit rund 99,3 Punkten weit über den Werten der letzten säkularen Hochs.

Vergleich unterschiedlicher Makro- und Marktkennzahlen bei Allzeithoch von Gold 1980 und 2011 vs. aktuell

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Quelle: treasury.gov, Federal Reserve St. Louis, LSEG (as of 04/30/2024), Incrementum AG

Für uns steht fest: Eine kontrollierte und deutliche Abwertung des US-Dollars ist eines der zentralen Anliegen von Donald Trump. Es wäre jedoch ein gravierender Fehler, den US-Dollar zwecks Förderung der Reindustrialisierung künstlich zu schwächen. Währungsabwertungen lösen keine strukturellen Probleme. Sie erzeugen Inflation, verteuern Importe, mindern die Kaufkraft von Löhnen und Ersparnissen im In- und Ausland und schwächen damit den Binnenkonsum, das Rückgrat der US-Wirtschaft.

Zudem ist eine starke Währung Ausdruck internationaler Vertrauenswürdigkeit: Wer den US-Dollar bewusst entwertet, verscheucht Kapital, das zur Modernisierung der Infrastruktur und der Produktionskapazitäten sowie zur Absicherung der Technologieführerschaft dringend benötigt wird. Statt auf die trügerischen Vorteile eines schwächeren US-Dollars zu setzen, sollten fiskalische Disziplin, eine entschlackte Bürokratie und gezielte Innovationsförderung im Zentrum der Wirtschaftspolitik stehen, um neue Industrien anzusiedeln und bestehende zu stärken – ohne das Vermögen der Bürger, auch der ausländischen, die in US-Dollar denominierte Anleihen halten, zu entwerten und den Wohlstand in einem Abwertungswettlauf zu verspielen. Sehr salopp formuliert: Wäre Weichwährungspolitik tatsächlich der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg, würde Zimbabwe die Rangliste der erfolgreichsten Länder anführen und nicht die Schweiz.

DXY, 01/2000–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

All diese Entwicklungen – von der unklaren Ausrichtung der US-Dollar-Strategie über das ungelöste Triffin-Paradoxon bis hin zu möglichen Währungsabwertungen – sorgen für erhebliche Unsicherheit. Das ist eine weitere Parallelität zum Nixon-Schock 1971, als ein bestehendes Weltwährungssystem von einem Augenblick zum anderen Geschichte war und sich erst über Jahre hinweg das neue System der flexiblen Wechselkurse etablierte. Vertrauen ist die zentrale Währung im (internationalen) Wirtschaftsverkehr und entscheidend für den Erfolg der Standortpolitik eines Landes. Die Kosten, die eine Vertrauenserosion verursacht, können nicht überschätzt werden.[11] Gold erwies sich im Frühling – einmal mehr – als verlässliche Absicherung in Zeiten geopolitischer und ökonomischer Verwerfungen. Gold bleibt, was es immer war: ein stabiler Anker.

Weltunsicherheitsindex (lhs), und Gold (rhs), in USD, 01/2008–03/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Gerade in dem Maß, in dem traditionelle „sichere Häfen“ wie US-Staatsanleihen oder deutsche Bundesanleihen an Vertrauen einbüßen und ihre Stabilitätsfunktion verwässern, rückt Gold nun wieder stärker ins Zentrum langfristiger Anlagestrategien.

Meanwhile in Europe: Der monetäre Klimawandel beschleunigt sich

Während aus Washington ungewohnte Worte fiskalischer Vernunft zu vernehmen sind, hat Friedrich Merz (CDU) in einer – von vielen als Wählertäuschung eingestuften – 180-Grad-Wende unter der Zauberformel „Whatever it takes!“ Deutschlands Staatsverschuldung mit einem Satz deutlich erhöht. Konkret werden Verteidigungsausgaben oberhalb von 1% des BIP von der Schuldenregel ausgenommen. Zudem wurde ein – euphemistisch als „Sondervermögen“ bezeichnetes – schuldenfinanziertes Programm in Höhe von 500 Mrd. EUR für Infrastruktur und Klimaschutz geschaffen. Prognosen gehen davon aus, dass die deutsche Staatsverschuldung von aktuell 60% des BIP auf bis zu 90% ansteigen wird.

Dies markiert einen historischen Moment für Deutschland: Ausgerechnet unter der Federführung der konservativen Union wurde nun auch de jure die offizielle Abkehr vom fiskalischen Konservatismus vollzogen. Was sich im Zuge der Corona-Pandemie bereits angedeutet hatte – und von uns im gleichnamigen In Gold We Trust-Report 2021 als monetärer Klimawandel bezeichnet wurde – hat nun eine neue Qualität erreicht. Denn ohne den Musterschüler fiskalischer Disziplin Deutschland ist es wahrscheinlicher, dass die ausgabenfreudigeren Euro-Länder – wir blicken hier insbesondere nach Paris – die neue fiskalische Großzügigkeit als Freifahrtschein interpretieren werden.

Deutsche Bundesanleihen, welche im Euroraum als ultimative, „risikolose Anlage“ gelten, haben auf die Kehrtwende spürbar reagiert. Die Renditen deutscher Bundesanleihen verzeichneten nach der Verkündung der Einigung die größte Tagesbewegung der letzten 35 Jahre. Problematisch für viele deutlich höher verschuldete Staaten wie Frankreich und Italien: Mit dem steigenden Grundwasserspiegel zogen auch deren Anleiherenditen deutlich an.

Über ein halbes Jahrhundert lang waren sich internationale Marktteilnehmer sicher, dass Deutsche Bundesanleihen de facto kein Gegenparteirisiko aufweisen. Besonders während der Phase der Great Moderation – entwickelten sich Bundesanleihen besser als Gold. Dieses Verhältnis begann sich ab 2002 schrittweise zu verändern. Seit 2020 verstärkt sich der Trend zugunsten von Gold. Neben der bestehenden Gefahr einer erneuten Inflationswelle tritt mit dem Ableben der schwäbischen Hausfrau ein weiteres Thema in den Vordergrund: das Gegenparteienrisiko. Dieses könnte mittelfristig – erstmals seit langer Zeit – wieder als Risikofaktor in der Staatsanleihenbewertung wahrgenommen werden.

Gold/DE 10Y TR-Ratio, 01/1970–04/2025

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Quelle: Gavekal Research, LSEG, Incrementum AG

Louis-Vincent Gave argumentiert, dass deutsche und US-Bonds über eine Generation hinweg die All-Star-Anlageklasse waren. Dieser All-Star hat nun ausgedient, und viele institutionelle Portfolios befinden sich in derselben Misere wie die französische Fußballnationalmannschaft ohne Zinedine Zidane. Ein neuer Unterschiedsspieler, um den das restliche Team gebaut wird, muss gefunden werden. Gold hat sich bereits aufgewärmt und wartet, ähnlich wie ein junger Kylian Mbappe, auf die Einwechslung, denn es könnte diese Rolle mühelos einnehmen.

Das neue Gold-Playbook – gestützt vom Trump-Schock

Unsere zentrale These im In Gold We Trust-Report 2024 „Das neue Gold-Playbook“ war, dass sich das Anlageumfeld von Gold fundamental gewandelt hat. Die Entwicklungen in den vergangenen 12 Monaten bekräftigen diesen Wandel.

So ist ein wesentlicher Eckpfeiler des Big Longs die anhaltend starke physische Nachfrage der Notenbanken. Bereits seit 2009 treten sie als Nettokäufer am Goldmarkt auf. Diese Entwicklung beschleunigte sich seit der Konfiszierung der russischen Währungsreserven Ende Februar 2022 noch einmal deutlich. Drei Jahre in Folge erhöhten Zentralbanken ihre Goldreserven um jeweils mehr als 1.000 t und erzielten damit einen Hattrick der besonderen Art.

Weltweite Goldkäufe der Zentralbanken, in Tonnen, 1950–2024

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Quelle: World Gold Council, Incrementum AG

Den Löwenanteil dieser Käufe tätigten erneut asiatische Zentralbanken. Bemerkenswert ist jedoch, dass mit Polen 2024 ein europäischer Staat die Spitzenposition einnahm. Diese geopolitisch motivierte Re-Allokation in Richtung Gold steht exemplarisch für ein wachsendes Misstrauen gegenüber dem bestehenden westlichen Finanzsystem, aber auch die sukzessive Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung der Emerging Markets.

Und es sind nicht mehr nur die Zentralbanken, die auf Gold setzen, sondern auch die westlichen Finanzinvestoren, die sich nach einer längeren Abstinenz wieder vermehrt nach Investitionsmöglichkeiten im Edelmetallbereich umsehen. 2024 zog die ETF-Nachfrage im Jahresverlauf an, mit Ausnahme Europas, das erst in Q1/2025 auf die Käuferseite zurückkehrte. Die kräftigen Zuflüsse in Nordamerika zeigen, dass es erste Anzeichen einer Gold-FOMO gibt. Die Investmentnachfrage der Gold-ETFs könnte ein wesentlicher Treibstoff für eine Fortsetzung der Gold-Hausse darstellen.

Kumulierte Gold-ETF-Bestände (lhs), in Tonnen, und Gold (rhs), in USD, 01/2006–03/2025

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Quelle: World Gold Council, Incrementum AG

Auch ist die allgemeine Medienbegeisterung im Westen für Gold heute nicht so ausgeprägt, wie beispielsweise 2020, als Gold sein erstes neues Allzeithoch seit fast einem Jahrzehnt erzielte. Das ist ein Indiz dafür, dass sich trotz des Rekordlaufs in den vergangenen Quartalen der Goldmarkt noch nicht in einer überzogen euphorischen Stimmung befindet.

Artikel zu Gold (lhs), und Gold (rhs), in USD, 01/2016–04/2025

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Quelle: World Gold Council, Bloomberg, LSEG, Incrementum AG

Zusätzliche Unterstützung erhält unsere Big-Long-These durch die Reaktion der Finanzmärkte auf den Liberation Day. Es ist ungewöhnlich, dass der US-Dollar in einer volatilen Risk-off-Phase fällt. Noch seltener ist ein gleichzeitiger Einbruch von Anleihen und Aktien. Solche Konstellationen sind typisch für Schwellenländer, nicht aber für den wichtigsten sicheren Hafen des globalen Kapitalmarktes. Statt im sicheren Hafen Zuflucht zu finden, suchten viele, insbesondere internationale Anleger das Weite. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie nach einem derartigen Schock freiwillig zurückkehren?

Diverse Vermögenswerte, in USD, 100 = 02/04/2024, 03/2025–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Let’s get physical: Sicherheitsgold am Weg von London nach New York

Ein weiteres klares Zeichen schwindenden Vertrauens ist die steigende Nachfrage nach physischem Gold – besonders bei langfristig orientierten Investoren, die Sicherheitsgold suchen. Seit 2020 häufen sich physische Auslieferungen von Terminbörsen, mutmaßlich getrieben von Family Offices, vermögenden Privatanlegern und staatlichen Akteuren. Diese Käufer sind weniger preis- als vielmehr systemkritisch: Sie bevorzugen echtes Gold gegenüber „Papiergold“.

COMEX Gold-Lieferungen, in Tausend Feinunzen, 01/2006–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Vor dem Liberation Day wurden enorme Goldmengen von London nach New York verlagert, laut StoneX-CEO Philip Smith über 2.000 t. Auslöser war ein ungewöhnlich hoher Aufschlag von bis zu 68 USD zwischen COMEX-Preis und LBMA-Spotpreis. Dieser zwang Bullionbanken zu außergewöhnlichen physischen Lieferungen. Parallel schrumpften die LBMA-Goldlagerbestände von Oktober 2024 bis Ende März um 8,6 Mio. Unzen, während der COMEX-Lagerstand Anfang April mit 45 Mio. Unzen einen neuen Rekordwert erreichte.

Gold, der neue Outperformer im Portfolio?

Die relative Stärke von Gold gegenüber Anleihen – und nun auch gegenüber Aktien – dürfte für vermehrtes Anlegerinteresse sorgen. Nachdem Gold zuletzt gegenüber Aktien an Stärke gewonnen hat, lohnt sich ein langfristiger Blick auf das Dow/Gold-Ratio. In den vergangenen drei großen Abwärtstrends dieses Ratios (1930er-, 1970er- und 2000er-Jahre) ging die Entwicklung stets mit einem deutlichen Anstieg des Goldpreises und stagnierenden US-Aktienmärkten einher. Aktuell liegt das Dow/Gold-Ratio bei 11,91 und damit klar über dem historischen Median von 7,09 – ein Hinweis darauf, dass Gold im Vergleich zu US-Aktien nach wie vor attraktiv bewertet ist.

Dow/Gold-Ratio, 01/1900–04/2025

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Quelle: Nick Laird, LSEG, Incrementum AG

Die wachsende Kluft zwischen Gold und dem S&P 500 seit Jahresbeginn deutet auf grundlegende Veränderungen hin. Kapital fließt zunehmend aus US-Märkten in den sicheren Hafen Gold – aber auch verstärkt nach Europa und in ausgewählte Emerging Markets. Sollte sich dieser Trend bestätigen, wäre das ein deutliches Signal für eine sektorale und geografische Rotation mit potenziell weitreichenden Folgen für globale Anlagestrategien und makroökonomische Narrative.

Gold und S&P 500, in USD, 100 = 01/01/2024, 01/2024–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Betrachtet man die relative Entwicklung des S&P 500 vs. Gold, Silber, Minenaktien (HUI) und Rohstoffen (BCOM-Index), so erkennt man ebenfalls eine Rotation. In Kombination mit einer relativen Stärke von Silber und Minenaktien gegenüber Gold lässt sich ein zyklischer Wendepunkt erkennen. Ein nachhaltiger Durchbruch des S&P 500 nach unten würde eine bedeutende Verschiebung der Kapitalströme anzeigen. Anders ausgedrückt: Kapitalabflüsse aus einem bislang äußerst beliebten und weit verbreiteten Sektor hin zu Performance-Gold, das über fast eine Dekade ein Schattendasein fristete.

S&P 500 vs. Gold, Silber, HUI und BCOM (log), 100 = 01/1998, 01/1998–04/2025

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Quelle: LSEG, Incrementum AG

Herzlichen Dank!

Der In Gold We Trust-Report strebt Jahr für Jahr danach, seinem Ruf als „Goldstandard der Goldstudien“ gerecht zu werden. Unser Ziel ist stets, die weltweit anerkannteste, meistgelesene und vollumfänglichste Analyse zum Thema Gold zu verfassen. Wie Mark Baum[12] in seiner Kritik am Finanzsektor anprangernd feststellte: „Niemand achtet auf Details.“ Genau diese Details sind es aber, die zählen, und genau das ist die Mission des In Gold We Trust-Reports, Ihnen, geschätzte Leser, die entscheidenden Details des Goldmarktes näherzubringen.

Deshalb ziehen wir uns jedes Jahr vom hektischen Alltag zurück, um nachzudenken, Daten und Fakten zu recherchieren und schließlich den In Gold We Trust-Report zu schreiben. Die Vielzahl an Ereignissen der vergangenen Monate stellte uns vor eine echte Herausforderung. Trumps Liberation Day – wie auch seine Sprunghaftigkeit im Allgemeinen – bereitete uns ebenso wie vielen anderen Marktbeobachtern einiges an Kopfzerbrechen. In Jahren mit starkem Goldpreisanstieg sind derartige Erschwernisse jedoch leicht zu bewältigen.

Auch diese 19. Ausgabe des In Gold We Trust-Reports kann mit einigen Premieren aufwarten. Die Kurzversion des In Gold We Trust-Reports erscheint zum ersten Mal auf Japanisch, zusätzlich zu Deutsch, Englisch und Spanisch. Mit Mining Visuals, einem schwedischen Unternehmen, das sich auf die graphische Aufbereitung von für den Minensektor relevanten Daten spezialisiert hat, haben wir uns kompetente und tatkräftige Verstärkung an Bord geholt. Von der Kreativität des engagierten Teams von Mining Visuals können Sie sich in diesem In Gold We Trust-Report überzeugen. Zum ersten Mal gibt es auch die Möglichkeit, eine Druckversion des In Gold We Trust-Reports hier zu beziehen.

Wir danken unseren mehr als 20 fantastischen Kolleginnen und Kollegen auf vier Kontinenten für ihren tatkräftigen und unermüdlichen Einsatz über mehr als 20.000 Stunden und unzählige Zeitzonen hinweg.

Besonderer Dank gilt unseren Premium-Partnern[13]. Ohne deren Unterstützung wäre es nicht möglich, den In Gold We Trust-Report kostenfrei zugänglich zu machen und Jahr für Jahr unser Leistungsspektrum zu erweitern. Neben der jährlichen Publikation in fünf Sprachen stellen wir monatlich unseren Monthly Gold Compass sowie laufend Informationen auf unserer In Gold We Trust-Website unter ingoldwetrust.report zur Verfügung.

Wir betrachten die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als unabdingbar für eine erfolgreiche Vorbereitung auf die Zukunft. Daher sind wir davon überzeugt, dass der aktuelle Gold-Bullenmarkt noch nicht an sein Ende gelangt ist. Die Gründe für unsere Einschätzung wollen wir Ihnen, geschätzte Leser, als Orientierungshilfe zum Thema Gold auf den insgesamt mehr als 460 Seiten des In Gold We Trust-Reports 2025 präsentieren.

Nun laden wir Sie auf unseren jährlichen Parforceritt ein und hoffen, dass Ihnen das Lesen unseres 19. In Gold We Trust-Reports genauso viel Freude bereitet wie uns das Schreiben.

Mit herzlichen Grüßen aus Liechtenstein,

 

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Ronald-Peter Stöferle und Mark J. Valek

picture Ronald-Peter Stöferle and Mark J. Valek

[1] SieheQuo vadis, aurum?“, In Gold We Trust-Report 2020; ein umfassendes Update des Incrementum Goldpreismodells nehmen wir in Kapitel „1970er, 2000er, 2020er …: Ein Déjà-vu in zwei Akten – zweiter Akt“ in diesem In Gold We Trust-Report vor.

[2] Alle bisherigen 18 Ausgaben des In Gold We Trust-Reports finden Sie in unserem Archiv.

[3] Unsere Überlegungen zur optimalen Goldallokation finden Sie in „The Optimal Gold Allocation: How Much Gold Does Your Portfolio Need?“, In Gold We Trust-Spezial, August 2024.

[4] Siehe Kapitel „Performance-Gold: Ist nun die Zeit für Minenaktien gekommen?“ in diesem In Gold We Trust-Report, in dem das Incrementum Active Aurum-Signal vorgestellt wird. Dieses proprietäre Signal unterstützt die Gewichtungen des Incrementum Active Gold Fund.

[5] Siehe das Incrementum Rezessionsphasen-Modell in „Der geldpolitische Showdown“, In Gold We Trust-Report 2023 sowie „Portfolioeigenschaften: Gold als Aktiendiversifikator in Rezessionen“, In Gold We Trust-Report 2019

[6] SieheExklusivinterview mit Zoltan Pozsar: Adapting to the New World Order“, In Gold We Trust-Report 2023

[7] SieheWie Banker Geld in ‚Σ 0 ∞ € ¥‘ verwandelten“, In Gold We Trust-Report 2021

[8] Siehe Stöferle, Ronald (@RonStoeferle): „THREAD: A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System‘ ist wahrscheinlich das wichtigste Papier, von dem Sie noch nie gehört haben!…„, X, März 2025

[9] SieheDie Geschichte wiederholt sich (nicht): Plaza-Abkommen 2.0 ante portas?“, In Gold We Trust-Report 2019

[10] Siehe Kapitel „Dollar-Milkshake trifft auf Goldenen Anker: Mar-a-Lago und die neue Weltwirtschaftsordnung“ in diesem In Gold We Trust-Report

[11] SieheGold im Zeitalter der Vertrauenserosion“, In Gold We Trust-Report 2019

[12] Mark Baum ist eine fiktive Figur aus dem Film The Big Short (2015), die auf dem realen Investor Steve Eisman basiert.

[13] Am Ende des In Gold We Trust-Reports finden Sie eine Übersicht über unsere Premium-Partner, inklusive einer Kurzbeschreibung der Unternehmen.

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Ronald Stöferle und Mark Valek Autoren des In Gold We Trust report

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