Aufbruch
in eine goldene
Dekade
Inhaltsverzeichnis
Table of Contents
Einleitung
„Alle Wege führen zu Gold.“
Kiril Sokoloff
Key Takeaways
- Die geldpolitische Normalisierung ist gescheitert
Das Scheitern der geldpolitischen Normalisierung hatten wir in unserer Vierjahres-Prognose im In Gold We Trust-Report 2017 als wahrscheinlichstes Szenario formuliert. Unser Goldpreisziel von >1.800 USD für Jänner 2021 befindet sich in Reichweite. - Das Coronavirus ist der Brandbeschleuniger der überfälligen Rezession
Die schuldeninduzierte Expansion in den USA kühlte sich bereits seit Ende 2018 ab. In Gold gemessen hat der US-Aktienmarkt seinen Höchststand bereits vor über 18 Monaten erreicht. Das Coronavirus und die Reaktionen darauf wirken als massiver Brandbeschleuniger. - Die Schuldentragfähigkeit gerät an ihre Grenzen
Die Eingriffe infolge der Pandemie bergen die Gefahr, die Schuldentragfähigkeit vieler Länder zu überfordern. Staatsanleihen werden als sicherer Hafen zunehmend in Frage gestellt werden. Gold könnte diese Rolle einnehmen. - Zentralbanken stecken bei künftiger Inflationsbekämpfung in der Zwickmühle
Aufkeimende Inflationsrisiken werden aufgrund der Überschuldung nicht mit merklichen Zinserhöhungen bekämpft werden können. Im mittelfristig inflationären Umfeld werden neben Gold auch Silber und Minenaktien reüssieren. - Anbruch einer neuen währungspolitischen Weltordnung
In der angebrochenen Dekade sind richtungsweisende währungs- und geopolitische Umbrüche zu erwarten. Gold wird in der neuen währungspolitischen Weltordnung als staatenlose Reservewährung wieder eine bedeutende Rolle spielen. - Neue Gold-Allzeithochs sind nur eine Frage der Zeit
Die Frage lautet nicht, ob der Goldpreis neue Allzeithochs erreichen wird, sondern wie hoch diese ausfallen werden. Wir sind davon überzeugt, dass sich Gold im Laufe dieser Dekade als ertragreiche Anlage erweisen wird und für Stabilität und Sicherheit im Portefeuille sorgen wird.
Die diesjährige 14. Ausgabe unseres In Gold We Trust-Reports „Aufbruch in eine goldene Dekade“ erscheint am Beginn eines neuen Jahrzehnts.[1] Bereits zum Ausklang der letzten Dekade hat Gold einmal mehr seinen feinfühligen siebten Sinn bewiesen und den aufmerksamen Beobachter darauf hingewiesen, dass die Großwetterlage an den Finanzmärkten vor einem Umschwung steht.[2] Vergangenes Jahr kühlten die wirtschaftlichen Aktivitäten merklich ab und es war nur eine Frage der Zeit, bis das längst überfällige Rezessionsgewitter ausbrechen würde. In Antizipation eines solchen hat der Goldpreis im Laufe des Kalenderjahres 2019 in US-Dollar um solide 18,9% zugelegt. Auf Euro-Basis haussierte Gold um 22,7% und markierte zahlreiche neue Allzeithochs.
Like the weather, markets are turbulent.
Benoit Mandelbrot
Doch noch bevor sich die rezessiven Gewitterwolken entladen und eine „herkömmliche Rezession“ eintreten konnte, bekam die Welt es mit dem neuartigen Coronavirus und den dramatischen Reaktionen darauf zu tun. Der wirtschaftliche Orkan, den wir nun als Konsequenz durchleben, ist tatsächlich bespiellos. Das Auftreten der Pandemie wurde zum Auslöser und Brandbeschleuniger der folgenden, fundamentalen Dynamiken:
Ökonomische Vollbremsung
Nach einer ausgedehnten ökonomischen Expansionsphase erlebt die globale Konjunktur die schwerwiegendste Rezession seit über 80 Jahren. Der IWF prognostiziert für das laufende Jahr eine Schrumpfung des globalen BIPs von 3%, und es ist davon auszugehen, dass diese Zahl noch nach unten revidiert werden muss.[3] Der „Echtzeit-Indikator“ der „Federal Reserve Bank of New York“ weist für das zweite Quartal eine noch nie dagewesene annualisierte Schrumpfung des US-BIP von über 31% aus.[4]
We’re only down 15% from the all-time high of February 19, and it seems to me that the world is more than 15% screwed up.
Howard Marks, 20. April 2020
Einbruch an den Finanzmärkten
Die wirtschaftliche Vollbremsung ließ viele bereits ambitioniert bewertete Assetklassen spektakulär einbrechen. Der März 2020 geht als einer der schlimmsten Monate in die Börsengeschichte ein. Im ersten Quartal dieses Jahres brach die Marktkapitalisierung der US-Aktienmärkte, gemessen am Wilshire 5000 Total Market Index, um 7 Bill. USD ein. Die „Everything-Bubble“, auf die wir seit Jahren hinweisen,[5] ist nun in akuter Gefahr zu platzen. Zentralbanken versuchen seither mit desperat anmutenden Stützungskäufen den weiteren Kollaps zu verhindern.
Geldpolitischer U-Turn
Die Normalisierung der Geldpolitik ist vom Tisch, lange bevor sie vollendet werden konnte. „Quantitative Easing“ ist aufgrund des herrschenden Nullzinsniveaus nun (wieder) die Norm. Die Dimensionen der neuen QE-Programme brechen mittlerweile jegliche Vorstellungskraft. Am Höhepunkt der Finanzmarktpanik schöpfte die Federal Reserve zwei Wochen lange 1 Mio. USD, jede einzelne Sekunde, Tag und Nacht.[6] Wohlgemerkt, die Geldpolitik hat bereits im zweiten Halbjahr 2019 die Kehrtwende vollzogen, um die sich ankündigende Rezession frühzeitig zu bekämpfen.
Suckers think that you cure greed with money, addiction with substances, expert problems with experts, banking with bankers, economics with economists, and debt crises with debt spending.
Nassim Taleb
Fiskalpolitisches Crescendo
Zu den erneuten QE-Programmen in Billionenhöhe gesellt sich nun eine höchst expansive Fiskalpolitik. Die USA dürften ihr ohnehin schon überhöhtes Budgetdefizit von 4,6% aus dem Vorjahr in diesem Jahr verdreifachen. Im Euroraum sind ebenfalls rekordhohe Schuldenzuwächse zu erwarten. Besonders hart trifft es die ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Länder Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich.
Die Grenzen der Schuldentragfähigkeit
Etliche Haushalte, Unternehmen, Emerging Markets, aber selbst Industrienationen, könnten in Folge des verheerenden Wirtschaftseinbruchs und der zahlreichen staatlichen Interventionen an die Grenze der Schuldentragfähigkeit gelangen. Die Verschuldung der Industrienationen wird gemäß letzter Schätzung des Internationalen Währungsfonds allein in diesem Kalenderjahr von zuletzt 105% des BIP auf über 122% in die Höhe schnellen.[7]
Das Ende der Notenbankunabhängigkeit
Die dramatische Verschuldungsentwicklung untergräbt zunehmend die Unabhängigkeit der Zentralbanken. Die Verschränkung von Fiskalpolitik und Geldpolitik schreitet stetig voran. So hat beispielsweise die traditionsreiche „Bank of England“ im April den außerordentlichen Tabubruch begangen und finanziert nun durch direkte Staatsanleihekäufe das Staatsdefizit.[8] Auch in den USA wird in Zentralbankkreisen mittlerweile unverhohlen über die offizielle Verzahnung von Fiskal- und Geldpolitik nachgedacht.[9] Allessamt Schritte, welche weiter in Richtung Umsetzung der umstrittenen „Modern Monetary Theory“ (MMT) deuten.
Diese Entwicklungen haben sich teilweise bereits über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut, aufgrund der aktuellen Krise findet nun aber eine außerordentliche Verschärfung der Situation statt. So unangenehm die Dynamiken im Allgemeinen sind, für Gold könnten die Voraussetzungen besser nicht sein: massiv überschuldete Volkswirtschaften, welche als letzten Ausweg die Entwertung ihrer Währungen zur Finanzierung der Defizite heranziehen. Wir vertreten aus diesen und einer Reihe anderer Gründe mit breiter Brust die Ansicht, dass wir uns im „Aufbruch in eine goldene Dekade“ befinden.
Bevor wir unsere diesjährige Analyse zu allen wichtigen Themen beginnen, möchten wir aber zunächst einen Schritt zurückgehen, um über unsere vergangenen Thesen zu reflektieren.
Gold is a constant. It’s like the North Star.
Steve Forbes
Wenn wir die jüngere Vergangenheit des In Gold We Trust-Reports Revue passieren lassen, so stellen wir fest, dass wir nach dem Einbruch des Goldpreises im Jahr 2013 zu früh optimistisch wurden. Als 2015 die US-Konjunktur abzuflauen begann, lag eine Rezession bereits in der Luft. Die Zinssätze befanden sich noch auf niedrigem Niveau und die geldpolitische Normalisierung schien Lichtjahre entfernt. Unsere Erwartung war damals, dass aufgrund des vorherrschenden Niedrigzinsniveaus beim Eintreten der heraufziehenden Rezession eine starke Aufwertung des Goldpreises stattfinden würde. Die Goldbullen begannen gerade zu traben, als sie Ende 2016 wieder abrupt gebremst wurden.
Was war geschehen? Donald Trump wurde zum Präsidenten der USA gewählt und mit ihm eine republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses. Es lag für uns auf der Hand, dass Trump ein entscheidender Faktor für den Goldpreis werden würde. Das erforderte eine Neubewertung der Lage. Wir haben daher im In Gold We Trust-Report 2017 eine Prognose für den Goldpreis erstellt, die zeitlich auf die vierjährige Amtszeit von Donald Trump abgestimmt war.[10]
Unsere These war, dass die Kombination aus Deficitspending und dem Stimmungswechsel innerhalb zuvor enttäuschter Teile der US-amerikanischen Bevölkerung den Beginn der geldpolitischen Normalisierung ermöglichen würde. Der Lackmustest für uns war, ob ein „normales“ Zinsniveau erreicht bzw. die Verkürzung der Zentralbankbilanz umgesetzt werden könne, ohne den schuldeninduzierten Aufschwung abzuwürgen.
Folgende vier Szenarien für den Goldpreis hatten wir damals mit Zeithorizont Jänner 2021 ausgearbeitet:
Was die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen geldpolitischen Normalisierung betraf, haben wir folgenden Standpunkt im In Gold We Trust-Report 2017 formuliert und diesen auch in den beiden darauffolgenden Ausgaben[11],[12] – trotz heftigen Gegenwindes – vertreten:
„Aus unserer Sicht ist es nahezu ausgeschlossen, dass dies [die geldpolitische Normalisierung, Anm.] gelingen wird, ohne dass durch die geldpolitische Straffung eine erneute Rezession losgetreten wird.“[13]
Truth hurts. Maybe not as much as jumping on a bicycle with the seat missing, but it hurts.
Inspector Frank Drebin
Mit dem diesjährigen In Gold We Trust-Report endet nun unser knapp vierjähriger Beobachtungszeitraum. Heute wissen wir: Die geldpolitische Normalisierung ist grandios gescheitert, der monetäre U-Turn hin zu einer lockeren Geldpolitik wurde vollzogen. In Bezug auf die von uns formulierten Szenarien können wir feststellen, dass sich die Wirtschaft während der aktuellen Amtsperiode Trumps großteils im „Muddling-through“-Modus (Szenario B) befand. Enden wird diese Legislaturperiode wohl unter den Bedingungen eines „adversen Szenarios“ (Szenario D), welches wir seit 2017 wiederholt als das wahrscheinlichste Szenario eingestuft haben.
In order to succeed, you must first survive.
Nassim Taleb
Auch der Goldpreis verhielt sich, wie wir es in den jeweiligen Szenarien erwartet hatten. Für den Fall der Umkehr der Geldpolitik haben wir bereits im Jahr 2017 Goldpreise von über 1.800 USD per Ende Jänner 2021 vorausgesagt. Ein solches Preisniveau erscheint uns definitiv realistisch.
Rückblickend gesehen sind wir mit unseren Einschätzungen der letzten Jahre durchaus zufrieden, denn die zentralen Thesen unserer vergangenen In Gold We Trust-Reports haben sich jedenfalls bewahrheitet.
Noch spannender als der Rückblick ist der Ausblick. Entsprechend unserem diesjährigen Leitmotiv „Aufbruch in eine goldene Dekade“ wagen wir im aktuellen In Gold We Trust-Report einen 10-Jahresausblick für den Goldpreis.[1] Vorerst wollen wir uns aber mit dem aktuell brennendsten Thema auseinandersetzen.
Das Coronavirus
Maßgeblich mitverantwortlich für die außergewöhnlich starke Rezession sind die internationalen Reaktionen auf das Coronavirus. Aber wäre eine Rezession auch ohne Ausbruch der Pandemie eingetreten? Eine Antwort auf diese kontrafaktische Frage ist für die Einschätzung künftiger Entwicklungen durchaus bedeutsam. Wir sind der Überzeugung, dass auch ohne Coronaviruspandemie 2020 die bedeutenden Wirtschaftsnationen in eine Rezession geschlittert wären. Wir wollen diese These an dieser Stelle mit einigen Charts zur US-Wirtschaft untermauern.
Eine Invertierung der Zinskurve gilt seit jeher als einer der zuverlässigsten Frühindikatoren für Rezessionen. Bereits im Jahr 2019 war der Anteil der Zinskurveninversionen erheblich und deutete klar auf eine nahende Rezession hin. Der Zeitpunkt des möglichen Eintrittes ließ sich historisch anhand der Zinskurveninversion verlässlich bestimmen. Gemäß diesem Indikator wäre Mitte 2020 eine Rezession nicht unwahrscheinlich gewesen.
Auch das Dow/Gold-Ratio ist für uns von hohem Interesse, da eine nicht nachhaltige Aktienrally mitunter von einem stärker steigenden Goldpreis aufgespürt wird. So erreichten gemäß Dow/Gold-Ratio die Aktienkurse bereits Ende 2018 ihren Hochpunkt. Seither befinden sich die Aktien gemessen in Gold in einem klaren Abwärtstrend. Im langfristigen Chart wird die potenzielle Fallhöhe der Aktienpreise ausgedrückt in Gold klar ersichtlich.
My friends keep telling me the Fed shot its gun and is out of bullets. Are you kidding me? They own the bullet factory.
Harris Kupperman
Der überzeugendste Beleg für die nahende Rezession ist für uns jedoch der U-Turn der US-Geldpolitik. In den Jahren 2017/2018 wurde seitens der Federal Reserve kontinuierlich die Intention kommuniziert, dass die geldpolitische Normalisierung durchgezogen wird, komme was wolle. Noch im Dezember 2018 sprach Jerome Powell davon, dass die Verkürzung der Zentralbankbilanz weiterhin „auf Autopilot geschaltet“[2] sei. Nur wenige Tage nach dieser Aussage ruderte er angesichts der massiven Korrektur an den Börsen zurück. Erstmals seit 2008 senkte die US-Notenbank den Leitzins schließlich wieder am 31. Juli 2019 und ließ 2019 noch zwei weitere Zinsschritte folgen.
The Fed can change how things look, but not how things are.
Jim Grant
Im Herbst 2019 wurde zudem die Bilanzverkürzung, das Quantitative Tightening, gestoppt. Die Federal Reserve begann, die Bilanzsumme wieder auszuweiten, zunächst mit dem Ziel, den Anstieg der kurzfristigen Zinsen in Schach zu halten. Alle diese Maßnahmen wurden lange vor dem Ausbruch des Coronavirus gesetzt und bezeugen, dass sich die Wirtschaftsdynamik bereits 2019 deutlich abgeschwächt hatte.
[1] Alle 13 früheren Ausgaben des In Gold We Trust-Reports finden Sie in unserem Archiv unter ingoldwetrust.report/archiv.
[2] Vgl. Stöferle, Ronald: „Gold – The 7th Sense Of Financial Markets“, Präsentation: Precious Metals Summit, 11. November 2019
[3] Vgl. IMF: World Economic Outlook, April 2020: The Great Lockdown, April 2020
[4] Nowcasting Report, Federal Reserve Bank of New York, per 15. Mai 2020,
[5] Vgl. „Einleitung“ und „Weiße, Graue und Schwarze Schwäne“, In Gold We Trust-Report 2017; „Einleitung“, In Gold We Trust-Report 2018; „Einleitung“ und „Standortbestimmung – Der Status Quo des Goldes“, In Gold We Trust-Report 2019
[6] Für die Schöpfung von einer Billion US-Dollar hat die Federal Reserve 2 Wochen benötigt. Zum Zählen würde man über 31.000 Jahre benötigen, vorausgesetzt man zählt einen US-Dollar pro Sekunde.
[7] IMF DataMapper: Gross debt position in % of GDP
[8] „Bank of England to directly finance UK government’s extra spending“, Financial Times, 9. April 2020
[9] Bianchi, Francesco, Faccini, Renato und Melosi, Leonardo: „Monetary and Fiscal Policies in Times of Large Debt: Unity is Strength“, Federal Reserve Bank of Chicago, Working Paper No. 2020-13, 11. Mai 2020
[10] Vgl. „Fazit“, In Gold We Trust-Report 2017
[11] Vgl. „Fazit“, In Gold We Trust-Report 2018
[12] Vgl. „Quo vadis, aurum?“, In Gold We Trust-Report 2019
[13] Vgl. „Fazit“, In Gold We Trust-Report 2017, S. 173
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