In Gold We Trust-Classics

Gold als Portfolioversicherung

It is a case of better having insurance and not needing it, than one day realizing that one needs it but doesn’t have it.

Acting-man.com

Wie bereits in unseren letzten Studien[1], wollen wir nun die Vorzüge von Gold im Portfoliokontext analysieren. Aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften sind wir der festen Überzeugung, dass Gold – insbesondere im aktuellen Umfeld – ein wesentlicher Portfoliobaustein sein sollte.

Unserer Überzeugung nach ist Gold in einem Fiat-Money-System nicht als Ersatz für Anlagen in traditionelle Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen zu sehen, sondern komplementär dazu. Richtigerweise sollte man eine Gold-Position im Rahmen eines Portfolios eher als eine liquide, alternative Kassaposition betrachten, welche mit einem Wechselkursrisiko zu Fiat-Geld behaftet ist und bemerkenswerte Diversifikationseigenschaften aufweist. Zahlreiche Studien belegen, dass eine Gold-Beimischung die Wertschwankung eines Portfolios verringert und somit die statistischen Portfolioeigenschaften verbessert. Gold korreliert mit anderen Vermögenswerten im Schnitt nur mit 0,1.[2]

Nachfolgend wollen wir zunächst das Permanente Portfolio vorstellen. Ein Portfolio-Konzept, das in Zeiten des zinslosen Risikos eine Lücke bei den konservativen Investments schließen kann, indem es stabile reale Renditen erwirtschaftet. Gold spielt in diesem Portfolio eine prominente Rolle.

Zudem wollen wir Gold im Lichte einer wünschenswerten Eigenschaft diskutieren, auf die Nassim Taleb die Welt aufmerksam gemacht hat: nämlich Antifragilität. Besitzt Gold diese Eigenschaft? Lässt sich mithilfe von Gold ein antifragiles Portfolio zusammenstellen?

Zu guter Letzt wenden wir uns noch Opportunitätskosten von Gold, konkret Realzinsen und Aktien, zu.

a. Die Lösung des Anlegerdilemmas: Das Permanente Portfolio

The portfolio’s safety is assured by the contrasting qualities of the four investments – which ensure that any event that damages one investment should be good for one or more of the others. And no investment, even at its worst, can devastate the portfolio — no matter what surprises lurk around the corner — because no investment has more than 25% of your capital.

Harry Browne

Nach Jahren der Disinflation bei den Verbraucherpreisen haben die meisten Vermögensverwalter inflationssensitive Assets wie Gold, Rohstoffe und Minenaktien stark untergewichtet. In den vergangenen Dekaden scheint sich die mit dem fallenden Zinstrend verbundene Kreditmengenausweitung in erster Linie auf die Vermögenspreisinflation ausgewirkt zu haben. Wie zuvor geschildert, versuchen die Zentralbanken weiterhin mit der Brechstange Preisinflation zu erzeugen. Früher oder später werden die Reflationierungsbemühungen auch gelingen und die Vermögenspreisinflation auf die Verbraucherpreise überschwappen. Da die Verbraucherpreisinflation nicht beliebig von den Zentralbanken feindosiert werden kann (wie die verfehlten Inflationsziele der letzten Jahre beweisen), könnte ein längerer Zyklus von Preisinflation die Folge sein.

Doch was tun? Viele Anlage-Strategien, mit denen man in den vergangenen Dekaden gut gefahren ist, scheinen für ein zunehmend instabiles bzw. womöglich stagflationäres Umfeld nicht gewappnet zu sein. Die Flutung der Märkte mit frischem Geld führt zu neuen Pegelständen, bei denen vormals „sichere Häfen“ Gefahr laufen, unterzugehen. Es bedarf folglich eines Paradigmenwechsels im Bereich der konservativen Investments, um folgende Ziele zu erreichen:

  • Chance auf Vermögenszuwachs bei moderaten Risiken
  • reale Renditen
  • Vermeidung großer Kursverluste (Drawdowns)

Im Folgenden wollen wir ein bewährtes Konzept vorstellen, mit dem es möglich ist, marktunabhängig eine langfristig attraktive Rendite unter Vermeidung größerer Verluste zu erzielen: das Permanente Portfolio. Entwickelt wurde dieser Ansatz Anfang der 1970er Jahre vom amerikanischen Investmentanalysten Harry Browne, der stark von der Österreichischen Schule beeinflusst war.

Die Grundidee dabei ist ein diversifiziertes Portfolio, das zu gleichen Teilen in vier verschiedenen Anlageklassen investiert ist. Diese verhalten sich in verschiedenen ökonomischen Szenarien gegenläufig, wodurch die Volatilität reduziert wird und langfristig stabile Renditen generiert werden können. Zu je 25% des Vermögens wird dabei in Gold, Bargeld, Aktien und Anleihen investiert.

Die vier unterschiedlichen ökonomischen Szenarien, die dadurch abgedeckt werden sollen, sind:

 

 

  • Inflationäres Wachstum (günstig für Aktien und Gold)
  • Disinflationäres Wachstum (günstig für Aktien und Anleihen)
  • Deflationäre Stagnation (günstig für Cash und Anleihen)
  • Inflationäre Stagnation (günstig für Gold)

ökonomische Szenarien

Die folgende Tabelle zeigt noch etwas detaillierter, welches wirtschaftliche Umfeld sich jeweils positiv bzw. negativ auf die betrachteten Anlageklassen auswirkt.

Auswirkung auf verschiedene Anlegeklassen

Quelle: Incrementum AG

Grundlegend für den Ansatz des Permanenten Portfolios ist die demütige – und sehr „österreichische“ – Erkenntnis, dass die Zukunft nicht prognostizierbar ist. Investoren sollten deshalb ihr Kapital so verteilen, dass sie auf jedes wirtschaftliche Umfeld (konjunkturelle Prosperität, Rezession, Inflation, Deflation) gleich gut vorbereitet sind.

Die Kombination der vier Bausteine im Permanenten Portfolio führte historisch nicht nur zu langfristig stabilen Renditen. Die Prognoseunabhängigkeit befreit Investoren auch aus der vorherrschenden „Kurzfristigkeitsspirale“. Gemeint ist damit der de facto bestehende Zwang für Investmentprofis, die in der Regel als Agenten das Kapital anderer verwalten, regelmäßig Rapport zu erstatten und sich an einer Benchmark messen zu lassen. Reporting-Strukturen drängen Investoren nur zu oft dazu, im Fahrwasser der Märkte mitzuschwimmen, um fortwährend passable Ergebnisse gegenüber einem Referenzwert zu erbringen, obwohl Vieles dafürspricht, dass dies dem langfristigen Erfolg abträglich ist.[3]

Das Permanente Portfolio ist hingegen so angelegt, dass man mit ihm den Zwängen der modernen Finanzwelt ein Stück weit entgehen kann. Hierfür sorgt ein Erfordernis, gemäß dem das Portfolio immer wieder umgeschichtet und wertmäßig ausgeglichen werden muss, da sich mit der Zeit aufgrund unterschiedlicher Entwicklung der einzelnen Anlageklassen deren ursprüngliche relative Gewichtung verschiebt: Sobald der Wertanteil einer Anlageklasse 35% überschreitet oder 15% unterschreitet, wird auf 25% ausgeglichen. Konkret wird also z.B. die bei 35% stehende Komponente reduziert, bis ihr Wertanteil wieder bei 25% liegt, und die unter 15% liegende Komponente auf 25% aufgebaut. Das regelmäßige Rebalancing des Portfolios gewährleistet, dass man einen hohen Grad an Immunität gegenüber den Sirenengesängen kurzfristiger Schwankungen und hysterischer Reaktionen anderer Marktteilnehmer und der Medien erreicht.

Diese Vorgehensweise steht ganz im Zeichen der antizyklischen Denkweise des Austrian Investings, denn die Mehrheit der Marktteilnehmer kauft, wenn die Kurse steigen, und verkauft, wenn die Kurse fallen.[4] Die eher seltene Umschichtung beruht darüber hinaus auf der Philosophie, dass der Aufwand für die Pflege des Portfolios relativ gering gehalten werden soll. Spezifische Timing-Entscheidungen müssen nicht getroffen werden und zudem sind die Transaktionskosten, die normalerweise erheblich ins Gewicht fallen, aufgrund der niedrigen Transaktionshäufigkeit gering. Die nachfolgende Abbildung zeigt die nominalen und realen Renditen des Permanenten Portfolios von 1970 bis 2015.

Jährliche Entwicklung des Permanenten Portfolios 1970–2015: Nominelle und reale Performance

Jährliche Entwicklung des Permanenten Portfolios 1970–2015: Nominelle und reale Performance

Quelle: irrationalexuberance.com, Federal Reserve St.Louis; Incrementum AG

Bei genauerer Betrachtung fallen drei Eigenschaften besonders auf.[5]

  1. Das Portfolio hat einen respektablen Wertzuwachs generiert. Die durchschnittliche Rendite von 9,1% pro Jahr entspricht der Rendite von Investmentportfolios, welche deutlich stärker schwanken. Tatsächlich ist die Rendite fast identisch zu den 9,8% eines Portfolios, welches zu 100% aus Aktien besteht, wobei diese Rendite in dem Fall mit wesentlich höherer Volatilität erreicht worden wäre.
  2. Das Portfolio hatte keinerlei große Verluste zu verzeichnen. Die Anzahl an Verlustjahren ist gering. Ferner waren die Verluste in diesen Jahren moderat. In seinem schlechtesten Jahr verzeichnete das Portfolio einen nominellen Verlust von 8,3% (im Jahr 1981). Im Vergleich zu reinen Aktienportfolios ist dies ein moderater Wertverlust. Ferner hat das Permanente Portfolio die Verluste im darauffolgenden Jahr wieder überkompensiert.
  3. Die reale Rendite weist über den betrachteten Zeitraum hinweg mehrheitlich positive Werte aus. Im Durchschnitt liegt sie bei 4,78%. Inflationsbereinigte Renditen sind ausgesprochen wichtig für die Beurteilung und den Vergleich von Investitionsstrategien, werden allerdings oft übersehen.

Fazit:

Für Zeiten, in denen sichere Kerninvestments rar gesät sind, ragt das Permanente Portfolio als robustes Konzept heraus: Es generierte langfristig stabile reale Renditen ohne ein dramatisches Verlustrisiko.[6] Incrementum hat vor wenigen Monaten den ersten Fonds in Europa lanciert, der gemäß den Prinzipien des Permanent Portfolios investiert. In den USA gibt es bereits seit 1982 Fonds, welche diese Strategie höchst erfolgreich umsetzen.

b. Antifragil investieren mit Gold?

Nassim Nicholas Taleb hat 2012 mit „Antifragile: Things That Gain From Disorder[7] ein Buch vorgelegt, in dem er eine Art „Theorie von Allem“ aufstellte. Im deutschen Untertitel „Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen“ schwingt die sokratische Formel des „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ mit. Eine Erkenntnis, die Taleb der von Machbarkeitswahn und Berechenbarkeitsgläubigkeit besessenen Zunft der Ökonomen, Zentralbanker, Politiker und Finanzmarktakteure vorauszuhaben meint.

Doch Taleb wäre nicht Taleb, würde er angesichts der Erkenntnis der eigenen Unwissenheit demütig verzagen; stattdessen möchte er zum Guru im Umgang mit jener werden. Er zeigt auf, wie man in Anbetracht der Unwissenheit erfolgreich agieren kann. Dabei stellt er ein Dreierschema auf, mit Hilfe dessen er Dinge als fragil, robust und – und das ist Talebs ingrédient – „antifragil“ kategorisiert. Was fragile und robuste Dinge sind, ist klar: Erstere sind zerbrechlich, da sie unter Schocks von außen leiden und letztere sind widerstandsfähig und bestehen unter verschiedenen Umwelteinflüssen unverändert fort. Antifragilität bezeichnet Eigenschaften, die von Volatilität, Zufälligkeit und bestimmten Stressoren profitieren.

Antifragilität - ein universelles Phänomen

Ist Gold antifragil?

Natürlich ist die Antifragilitätstheorie für Investoren und insbesondere für Baissiers höchstinteressant – schließlich hat sich Taleb selbst als solcher spektakulär hervorgetan. Es ist naheliegend, in diesem Zusammenhang an Gold zu denken: Gold ist die klassische Krisenwährung, die genau dann Konjunktur hat, wenn allerorten die Kurse einbrechen. Stress im System – in Form von Chaos, Unsicherheit, Unbeständigkeit, Unruhen, Volatilität etc. –, genau das ist das Umfeld, welches Gold braucht, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Ist Gold daher als ein antifragiles Investment anzusehen?

So naheliegend diese Frage ist, so erstaunlich ist es, dass Taleb um sie in seinem Buch einen weiten Bogen macht. Im März 2013 wurde er auf der Strategas Research Macro Conference in New York direkt nach seiner Meinung zu Gold gefragt und er meinte, dass er einst an dessen stabilisierende Wirkung im Portfolio geglaubt habe, es mittlerweile aber anders sehe: „It’s too neat a narrative, gold.“ [8]Nehmen wir diese Aussage als Ausgangspunkt, um verschiedene Aspekte von Gold zu besprechen:

Aspekt 1: Der Wert des Goldes beruht auf seinem Vertrauenskapital.

Talebs Aussage deutet an, dass dieses Vertrauen teils blinder Glaube sei, der dem Edelmetall von entrückten Goldenthusiasten entgegengebracht werde, und damit ein wackeliges Fundament darstelle. Es sei angemerkt, dass Vertrauen eine notwendige Voraussetzung für sämtliche Geldformen ist. Im Falle von Reputationsgeld hängt der Wert gänzlich davon ab, ob die Nutzer erwarten, dass das Geld von anderen Nutzern akzeptiert wird.

Das gilt nicht nur für Geld. In ihrem Buch „Der fiktive Staat“ argumentieren Albrecht Korschorke und seine Co-Autoren, dass der ganze Staat, ja sämtliche Gemeinwesen und ihre Institutionen fiktiv seien. Dennoch könnten sie sehr reale, stabile und mächtige Gebilde sein:

Das Vertrauenskapital des Papiergeldes

 

„Es handelt sich um einen Vorstellungskomplex, der funktionalen Charakter besitzt, weil sich das gesamte Bezugssystem der sozialen Adressierung und Autorisierung auf ihn stützt.“ [9]

Die Autoren analysieren die Bedeutung von Narrativen, die grundlegend für Institutionen sind, da sich auf diesen das Vertrauen der Bezugsgruppe begründet:

„Zwischen dem ‚weichen‘ Instrumentarium von Metaphern, Narrativen und Fiktionen auf der einen und ‚harten institutionellen Arrangements auf der anderen Seite ist in beiden Richtungen ein beständiger Austausch im Gange. […] Gesellschaftliche Organisation […] ist praktisch gewordene Metaphorik.[10]

Das Narrativische am Gold, woran sich Taleb stößt, ist also keinesfalls eine Schwäche. Doch es ist auch nicht notwendigerweise eine Stärke, denn Narrative können ihren funktionellen Charakter auch verlieren bzw. gar keinen erst besitzen. In Bezug auf Aspekt 1 lassen sich demnach noch keine Aussagen darüber treffen, ob Gold fragil, robust oder antifragil ist.  Ein starkes Narrativ ist gerade erst die Voraussetzung für Vertrauen und gutes Geld. Wir müssen also der Frage nachgehen, ob das Narrativ und damit das Vertrauen stark ist. Worauf beruht das Vertrauenskapital bei Gold?

Aspekt 2: Gold war in der Vergangenheit die weltweit beständigste Zahlungsform.

Zum „Narrativ“ der Goldenthusiasten gehört die Feststellung, dass Gold in der Vergangenheit universell als Zahlungsmittel akzeptiert wurde und in Krisenzeiten als Fluchtwährung diente. Selbst Alan Greenspan merkte einmal an:

„Gold repräsentiert immer noch die höchste Zahlungsform der Welt. […] Papiergeld wird, in extremis, von niemandem entgegengenommen – Gold dagegen wird immer angenommen.“

Im folgenden Chart sind die jeweiligen Jahresperformances von Gold und dem S&P 500 gegenübergestellt. Es lässt sich eine inverse Beziehung erkennen. Zudem ist ersichtlich, dass Gold in den sechs stärksten Verlustjahren des S&P 500 nicht nur relativ, sondern auch absolut eine hervorragende Performance ausweisen konnte; Hausse-Phasen am US-Aktienmarkt bedeuteten hingegen tendenziell kein gutes Umfeld für die Goldpreisentwicklung. Jedoch muss auch konstatiert werden, dass der inverse Zusammenhang nicht perfekt ist: So stiegen in den Jahren 2002-2007 sowohl Gold als auch der S&P 500; auch parallele Bewegungen nach unten gab es hin und wieder. Seinen größten Satz landete Gold im Jahr 1979, als auch der S&P 500 zulegte. Die Aussage, „Gold profitiert bei Stress und leidet unter Stressentzug“, trifft also nicht durchweg zu – Gold kann also schon einmal kein Musterbeispiel für Antifragilität sein. Allerdings sind im Untersuchungszeitraum schwere Stressmomente (inkl. „Tail-Risk-Events“) eine hinreichende Bedingung für ein Ansteigen des Goldpreises gewesen. Das könnte darauf hindeuten, dass Gold vor allem dann gefragt ist, wenn das System fundamental Gefahr läuft – nämlich dann, wenn Zweifel daran aufkommen, dass Gegenparteien ihre Versprechen einhalten können (siehe Aspekt 6).

Vergleich Jahresperformance Gold vs. S&P500

Vergleich Jahresperformance Gold vs. S&P500

Quelle:  Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Doch den bloßen Verweis auf die Vergangenheit ließe Taleb nicht gelten – unvorhersehbare, nie dagewesene Ereignisse können auftreten. Denn sogenannte „schwarze Schwäne“ können Prognosen, die auf historischen Mustern beruhen, einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Jedoch muss auch beachtet werden, dass für das Narrativ des krisenfesten Goldes die Historie ein Faktor ist, der das Vertrauen in dessen Geldfunktion stärkt. Die Empirie lässt uns für Aspekt 2 jedoch erst einmal konstatieren: Gold ist kein vollkommen antifragiles Gut; jedoch hat es in der Vergangenheit in schweren Stressmomenten antifragile Züge gezeigt.

Aspekt 3: Gold ist intrinsisch beständig.

Schauen wir uns nun an, worin das historische Vertrauen begründet liegt:

  • Physische Beständigkeit: Gold ist beständig gegenüber Luft, Feuchtigkeit und den meisten Säuren, Laugen und Lösemitteln und behält somit seine physische Werthaltigkeit im Laufe der Zeit bei.
  • Stabiler Gesamtbestand: Neues Gold kann nur kosten- und zeitintensiv geschürft werden. Da Gold nicht verbraucht wird und deshalb alles je geschürfte Gold noch vorhanden ist, verändert sich der Gesamtbestand nur minimal (= hohes Stock-to-flow-Ratio).[11]

In Bezug auf Aspekt 3 lässt sich also konstatieren: Gold ist robust. Dass Gold an sich beständig ist, schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen hat bislang dafür gesorgt, dass Gold stets wertgeschätzt und als Tauschmittel akzeptiert wurde. Schlussendlich ist genau das von höchster Relevanz: Welchen Wert messen andere dem Gold bei? Es scheint daher angebracht, die Nachfrageseite ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.

Aspekt 4: Die Bewertung von Gold ist vieldimensional und lässt Fluktuationen im Preis zu.

Die industrielle Nachfrage nach Gold spielt kaum eine Rolle, weshalb die Preisbildung primär auf dessen monetären Eigenschaften beruht. Gold ist also in erster Linie eines, nämlich Geld. Dass der Goldmarkt jedoch auch anfällig für Manipulationen ist, beschrieben wir bereits zuvor.

Die Tatsache, dass Zentralbanken eine große Menge des weltweiten Goldbestandes im Rahmen ihrer strategischen Währungsreserven halten, ist einerseits ein gutes Signal an Goldhalter: Auch die Notenbanken vertrauen (wenngleich inoffiziell) auf Gold als ultimative Risikoversicherung und stärken somit das Narrativ. Andererseits ist dadurch der Markt auch ein Stück weit politisiert. Da die Zentralbanken Gold jedoch als strategische Reserve halten, u.a. um im Falle einer Neuausrichtung der internationalen Währungsarchitektur gegenüber anderen Staaten mehr Verhandlungsmacht zu haben, ist nicht davon auszugehen, dass sie koordinierte Aktionen unternehmen, um den Goldpreis zu drücken. Zudem werden nur knapp 30% der gesamten Goldbestände seitens der Zentralbanken gehalten – den überwiegenden Teil der Goldhalter und -nachfrager machen unzählige Akteure aus, die dezentral über die gesamte Welt verstreut sind.

Darüber hinaus spielt die Spekulation natürlich auch am Goldmarkt eine Rolle. Gold dient als Inflationsschutz oder Krisenwährung bzw. eignet sich auch zur technischen Analyse – entsprechende Erwartungen und Wetten fließen in den Goldpreis ein. So ist auch der Goldmarkt schließlich nicht gefeit vor Übertreibungen und Blasenbildungen. Mit der zunehmenden Bedeutung des automatisierten Handels ist auch hier mit größeren Ausschlägen nach oben wie auch nach unten zu rechnen. Eine Zunahme der kurzfristigen Volatilität scheint vor diesem Hintergrund unausweichlich.

Alles in allem könnte man in Bezug auf Aspekt 4 sagen, dass der Goldpreis tendenziell fragil ist. Er ist v.a. davon abhängig, ob das Narrativ gerade Konjunktur hat oder nicht. Nach dem Nixon-Schock hatte sich der Goldpreis bis 2011 mehr als verfünfzigfacht und büßte in den Folgejahren wieder 40% ein.  Allerdings gibt es eine feste Basis hartgesottener Goldanhänger bzw. „Gold-Versteher“, die dem Gold unbeeinträchtigt von allen Modeerscheinungen die Treue halten. Dies stellt eine „natürliche Absturzbegrenzung“ für den Goldpreis dar.

Aspekt 5: Gold ist liquide, auch in Stresssituationen.

Gold zählt zu den liquidesten Anlagegütern der Welt. Das tägliche Handelsvolumen wird lediglich durch drei Währungspaare (USD/EUR, USD/JPY und USD/GBP) überboten. Und auch in Stresssituationen kann Gold aufgrund des niedrigen Bid-Ask-Spreads ohne signifikanten Preisabschlag liquidiert werden. In dieser Hinsicht ist Gold also robust.

Aspekt 6: Gold steht im reziproken Verhältnis zum Geldsystem.

Gold hat bekanntlich kein Gegenparteirisiko. Der Papiermarkt basiert hingegen auf den Versprechungen verschiedenster Gegenparteien. Solange das Vertrauen hoch ist und die Konjunktur gut läuft, ist ein Gut ohne Gegenparteienrisiko weitestgehend aus der Mode; wenn sich jedoch die Sorgen um potenzielle Ausfälle mehren (deflationäres Umfeld), können Güter wie Gold wiederum rapide an Bedeutung gewinnen. Die Attraktivität von Gold ist also eine inverse Funktion des Systems.

Insofern ergibt es Sinn, Gold einmal als das Maß der Dinge zu begreifen – schließlich ist der weltweite Goldbestand in den letzten 100 Jahren lediglich um 1,5% jährlich angewachsen, wohingegen allein die Basisgeldmenge des US-Dollar um fast 10% pro Jahr inflationiert worden ist. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass sich über lange Zeiträume hinweg die Preise bestimmter Güter gemessen in Gold kaum verändert haben (bzw. aufgrund technologischen Fortschritts gesunken sind), wohingegen etwa deren US-Dollar-Preise stark angestiegen sind. Die Schwankungen des Geldsystems bewirken jedoch die Schwankungen im Goldpreis, weil diesem das Maß der Währungen, insbesondere des US-Dollar, angelegt wird. Der folgende Chart zeigt das Austauschverhältnis von Gold und dem US-Dollar einmal umgekehrt: Gegenüber dem Edelmetall hat der US-Dollar seit 1971 massiv an Wert verloren.

Wieviel Milligramm Gold erhalte ich für 1 US-Dollar? (logarithmische Skalierung)

Wieviel Milligramm Gold erhalte ich für 1 US-Dollar? (logarithmische Skalierung)

Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Der „In Gold we Trust”-Report zeugt von der Erkenntnis: Die langfristige Entwicklung des Goldpreises ist keine Gold-Story, sondern eine Story des Geldsystems. Ein langfristig steigender Goldpreis rührt von der systemischen Inflationssucht her. Zudem bewirken Phasen, in denen das Geldsystem in Stress gerät, Schübe beim Goldpreis. Phasen, in denen die Welt in Ordnung zu sein scheint – und diese können relativ lange anhalten – können hingegen dazu führen, dass Gold und das ihm anhaftende Narrativ bei Vielen in Vergessenheit geraten. Kurzum: Hinsichtlich Aspekt 6 ist Gold klar antifragil.

Aspekt 7: Schwarze Schwäne gibt es auch im Golduniversum, doch wir erachten ihr Zerstörungspotenzial als begrenzt.

Für die Einschätzung der Fragilität bzw. Antifragilität eines Gutes empfiehlt Taleb, die Frage nach dem maximal möglichen Verlust zu stellen, dem sogenannten Schwarzen Schwan. Nun ist es der Fall, dass der Schwarze Schwan bei den Vermögenspreisen ein besonders förderliches Umfeld für den Goldpreis ist. Doch gibt es auch Schwarze Schwäne für Gold?

Erstens besteht die Gefahr eines Goldverbots, dem wir ein eigenes Kapitel gewidmet haben. Dort haben wir dargelegt, dass ein vollumfassendes, wirksames Goldverbot sehr unwahrscheinlich ist, da eine Kontrolle desselben ineffektiv bzw. zu kostenintensiv wäre. Reglementierungen und Besteuerungen des Goldhandels, die die Vorteile des Goldbesitzes ein gutes Stück schmälern würden, sind jedoch durchaus möglich.

Zweitens könnte die Monopolstellung von Gold im Bereich der Alternativwährungen durch die aufstrebenden Kryptowährungen herausgefordert werden, die sich ebenfalls als Gegenentwurf zum momentanen Geldsystem verstehen. Diese Konkurrenz für Gold ist ein historisches Novum. Jedoch sind auch viele der Kryptowährungen goldbasiert; dass Gold von einer überlegenen Konkurrenz verdrängt werden könnte, scheint jedoch unrealistisch.

Also selbst in einem Worst-Case-Szenario würde Gold nach wie vor eine prominente Rolle spielen. Zudem merkt Taleb in Bezug auf Zukunftsprognosen an: Dinge, die schon lange Bestand hätten, überlebten in den meisten Fällen Dinge, die neu aufstrebten. Die Zukunft ist der Gegenwart wesentlich ähnlicher, als man zu erwarten geneigt ist.[12] In Bezug auf Aspekt 7 können wir demnach festhalten, dass Gold tendenziell robust ist.

Insgesamt lässt sich also konstatieren, dass die Frage nach der Fragilität bzw. Antifragilität von Gold eine vieldimensionale Frage ist. Wir haben versucht, uns einer Antwort auf diese Frage zu nähern, und haben dabei sieben Aspekte des Edelmetalls aufgegriffen, die in folgender Tabelle zusammengefasst sind:

Tabelle zur Fragilität

Gold im Kontext eines antifragilen Portfolios

Doch noch mehr als die Frage, ob Gold selbst nun antifragil ist, interessiert uns, ob sich mithilfe von Gold ein antifragiles Portfolio zusammenstellen lässt. Berücksichtigen wir bei der Beantwortung dieser Frage das grundlegende Prinzip antifragiler Systeme, welches wir eingangs bereits herausgearbeitet haben – nämlich, dass einige Elemente innerhalb eines Systems fragil sein müssen, damit das System als Ganzes antifragil ist. Für den Portfolio-Kontext bedeutet das: Ein antifragiles Portfolio muss durchaus auch riskante Einzelinvestments beinhalten.

Taleb rät davon ab, ein gesamtes Portfolio mit mittleren Risiken pro Investment einzugehen. Stattdessen empfiehlt er „Barbell-Strategie“, also eine Komposition bestehend aus zwei Sub-Portfolios: einem ultra-sicheren Portfolio sowie einem hochspekulativen Portfolio, das äußerst riskante Einzelinvestments mit einem asymmetrischen Auszahlungsprofil beinhaltet. Wir wollen Gold daher jeweils im Kontext dieser beiden Sub-Portfolios besprechen.

  1. Gold im ultrasicheren Sub-Portfolio

Zahlreiche Studien belegen, dass eine Gold-Beimischung die Wertschwankung eines Portfolios verringert und somit die statistischen Portfolioeigenschaften verbessert. Da Gold, wie folgender Chart zeigt, mit den meisten anderen Anlageklassen kaum bzw. sogar negativ korreliert, spielt es oft eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung von Portfolios.

Langfristige Korrelation zwischen Gold und anderen Währungen und Assetklassen

Langfristige Korrelation zwischen Gold und anderen Währungen und Assetklassen

Quelle: National Inflation Association, Incrementum AG

Portfolio vorgestellt. Dieses beruht auch auf dem Diversifizierungsprinzip, wobei vier gleichgewichtete Anlageklassen, die im Einzelnen sehr wohl größere Schwankungen verzeichnen können (und damit fragil sind), sich gegenläufig entwickeln und dabei insgesamt stabile reale Renditen ohne das Risiko größerer Verluste erwirtschaften. Das Permanente Portfolio ist somit kein antifragiles, aber ein robustes Portfolio und eignet sich hervorragend als konservatives Kernportfolio (bzw. ultrasicheres Sub-Portfolio).

2. Gold im hochspekulativen Sub-Portfolio

Im hochspekulativen Sub-Portfolio kommen Investitionen zum Einsatz, die potenziell sehr hohe Renditen einbringen können, aber auch dementsprechend riskant sind. Wichtig ist jedoch, dass das Verlustrisiko begrenzt ist. Es eignen sich daher Investitionen, die ein asymmetrisches Auszahlungsprofil aufweisen, wie etwa Optionen. Gold selbst kann in einem solchen Portfolio durchaus eine Rolle spielen, sofern es aktiv gemanagt und mitunter gehebelt wird.

Ein klar asymmetrisches Auszahlungsprofil mit Options-Charakter weisen u.a. Minen-Aktien auf.[13] Die unterschiedlichen Charakteristika und Risikoprofile eines Investments in Minenaktien erkennt man anhand nachfolgender Grafik.[14]Auch Goldminen-Fonds eignen sich mitunter gut für das hochspekulative Sub-Portfolio.

Typischer Zyklus einer Minenaktie

Typischer Zyklus einer Minenaktie

Quelle: Brent Johnson, Santiago Capital

Fazit:

Nassim Taleb hat mit Antifragilität ein hochinteressantes Konzept vorgelegt, dem Investoren einiges abgewinnen können. Statt in einer komplexen Welt notwendigerweise unvollständige und verzerrte Berechnungen von spezifischen Risiken durchzuführen und darauf aufbauend Portfolioallokationen vorzunehmen, empfiehlt er, Portfolios für verschiedene Szenarien zu rüsten. Bei einem fragilen Investment würden sich einige Szenarien als verheerend herausstellen, ein robustes Investment lieferte stabile Erträge unabhängig vom Umfeld. Ein antifragiles Investment verzeichnet in vielen Szenarien kleine Verluste und profitiert überproportional in Stressszenarien.

Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Gold in diesem Zusammenhang ein vieldimensionales Investment ist. Hinsichtlich seiner physischen Beständigkeit, der hohen Liquidität und des festen Vertrauenssockels ist es als robust einzuschätzen. Auch würden sich Worst-Case-Szenarien in Form eines Goldverbots oder einer Konkurrenz vonseiten der Kryptowährungen vermutlich nicht desaströs auswirken. Da aber der Goldpreis mitunter auch überhitzen, stark fallen und über lange Zeiträume relativ niedrig bleiben kann, ist Gold in dieser Hinsicht auch fragil. Doch die wichtigste Eigenheit des Goldes, nämlich, dass es sich reziprok zum Geldsystem verhält und ein wirksamer Inflations- und Krisenschutz ist, macht es durchaus antifragil.

Im Portfoliokontext kann Gold einerseits für Stabilität sorgen, da es ein geeignetes Diversifizierungsinstrument ist. Gut gemanagt, kann es auch in einem antifragilen Portfolio Renditen generieren. Das gilt vor allem auch für Goldminenaktien bzw. für Goldminenaktienfonds.

c. Die Opportunitätskosten von Gold

„’Time is Money’ is perhaps the simplest expression of the economic concept of opportunity cost: Forgoing one thing for something else. Interest rates represent nothing more than the „opportunity cost“ of money, or of forgoing some amount of money today for the same at some future point in time. Assuming that cash in hand is normally used for consumption rather than savings, another way to look at interest rates is that they represent the opportunity cost of consumption today rather than at some point in the future: The higher the rate of interest, the higher the opportunity cost of consuming today, rather than tomorrow. This is the Iron Law of Money and Interest, available in all aspects.“ [15]

John Butler

Die Opportunitätskosten sind für die Entwicklung des Goldpreises essentiell. Wie hoch sind die konkurrierenden wirtschaftlichen Chancen und Risiken, die ich in Kauf nehme, wenn ich Gold halte? Realzinsen, Wachstumsraten der Geldmengenaggregate, Volumen und Qualität der Schulden, politische Risiken sowie die Attraktivität von anderen Assetklassen (insbesondere Aktien) sind unserer Meinung nach die wichtigsten Determinanten für die Goldpreisentwicklung. Deshalb wollen wir uns auf den nächsten Seiten den wichtigsten Opportunitätskosten von Gold – insb. den Realzinsen und Aktien – widmen. 

Realzinsen

Die nachfolgende Grafik bildet die Realzinsen[16] und den Goldpreis ab. Dabei springen zwei von überwiegend negativen Realzinsen geprägte Phasen ins Auge: zum einen die 70er Jahre und zum anderen der Zeitraum von 2002 bis heute. Beide Phasen stellten ein klar positives Umfeld für den Goldpreis dar. Man erkennt aber ebenso, dass auch die Tendenz der Realzinsen für die Goldpreisentwicklung relevant ist. So befanden sich die Realzinsen seit 2011 überwiegend im negativen Terrain, sie stiegen jedoch an und somit erhöhten sich die Opportunitätskosten von Gold, was ein widriges Umfeld bedeutete.

Realzinsen vs. Goldpreis seit 1971

Realzinsen vs. Goldpreis seit 1971

Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Anhand einer kurzfristigeren Betrachtung der Realzinsen lässt sich die oben formulierte Vermutung besser erkennen. Seit Ende 2011 befinden wir uns in einer Phase steigender Realzinsen, was sich wiederum in fallenden Goldpreisen niederschlägt. Im Jahr 2009 antizipierte Gold die Trendwende in Richtung fallender Realzinsen bereits korrekt. Ähnlich könnte sich die Situation auch aktuell darstellen, d.h. dass Gold bereits fallende Realzinsen diskontiert.

Gold vs. Realzinsen (invertierte Achse)

Gold vs. Realzinsen (invertierte Achse)

Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Im nachfolgenden Chart ist veranschaulicht, wie sich der annualisierte Goldpreis seit 1973 im Umfeld des handelsgewichteten Dollarindex sowie der realen 10y-Bondrenditen entwickelt hat. Goldene Kugeln stehen für ein Anwachsen des Goldpreises, weiße Kugeln für ein Fallen desselben; je größer die Kugeln, desto ausgeprägter die Preisentwicklung. Es lässt sich erkennen, dass Gold seine besten Jahre vorrangig in einem Umfeld einer schwächeren Dollarentwicklung hatte, wohingegen stärkere Dollarjahre und höhere Realzinsen meist mit Preisrückgängen bei Gold verbunden waren. Seine stärksten Preisanstiege erfuhr Gold während der Ölpreiskrisen 1973 und 1979, als die Realzinsen negativ waren und auch der US-Dollar sich verhalten entwickelte. Dies ist unserer Meinung nach ein Szenario, das heute wieder zunehmend realistisch erscheint.

Realzinsen und der US-Dollar vs. Goldpreis

Realzinsen und der US-Dollar vs. Goldpreis

Quelle: Société Générale, Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Fazit:

Eine langfristig negative Goldpreisentwicklung müsste mit steigenden bzw. konstant positiven Realzinsen einhergehen. Aufgrund der mittlerweile erreichten Schuldenniveaus – auf Ebene der Staaten, der Unternehmen aber auch der Privathaushalte – halten wir dies für schwer vorstellbar. Die Notenbanken sind schon längst zu Gefangenen der Überschuldungspolitik avanciert.

Aktien

Im Zuge der zuvor beschriebenen Vermögenspreisinflation zählten Aktien als klassische Sachwerte zu den größten Profiteuren. Anhand der nachfolgenden Grafik erkennt man die hohe Korrelation zwischen Arbeitsmarktentwicklung und S&P500 (invertierte Skala). Die seit 2009 deutlich rückläufigen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe manifestierten sich auch in einer größeren Zuversicht und in der Folge in höheren Aktienkursen. Es scheint nun jedoch so, als würde sich die Tendenz am Arbeitsmarkt umkehren. Dies könnte auch das Ende des Aktien-Bullenmarktes signalisieren.

Initial Jobless Claims (rechte Skala, invertiert) vs. S&P 500 (linke Skala)

Initial Jobless Claims (rechte Skala, invertiert) vs. S&P 500 (linke Skala)

Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG

Selbstverständlich scheint auch ein Blick auf die Bewertungsniveaus angebracht. Für eine langfristige Standortbestimmung eignet sich das sogenannte Shiller-KGV.[17] Gemäß dieser Bewertungskennzahl scheinen die Aussichten für US-Aktien nicht rosig, die Bewertung befindet sich keineswegs auf „Schnäppchen-Niveau“. So liegt das aktuelle Shiller-KGV bei 26 und wurde in der 134-jährigen Historie erst zweimal übertroffen. Der langfristige Durchschnitt liegt bei 16,6 und somit deutlich unter dem aktuellen Stand.

Shiller KGV seit 1881

Shiller KGV seit 1881

Quelle: Prof. Robert Shiller, Incrementum AG

Auch wenn wir uns die letzten beiden Market-Tops im S&P 500 und die Bewertungskennzahlen zu dieser Zeit ansehen, so erscheint eine Fortsetzung der Aktien-Hausse als eher unwahrscheinlich. Der Aufwärtstrend ist gebrochen, der Markt hat ein Plateau erreicht, von welchem er im vergangenen Jahr schon zweimal kurzfristig weggebrochen ist.

S&P 500 und Bewertungskennzahlen bei Market Peaks

S&P 500 und Bewertungskennzahlen bei Market Peaks

Quelle: Yahoo Finance, Incrementum AG

Nicht nur für Gold, sondern auch für Aktien ist die Inflationsrate von entscheidender Bedeutung. Gemäß unserer Inflations-Analysen zeigt sich, dass Aktien bei einer Preisinflationsrate in Höhe von +1% bis +3% das beste Umfeld vorfinden. Dieser „Wohlfühlkorridor“ wurde beispielsweise in den 70er Jahren beständig verlassen, die Aktienmärkte tendierten nominell seitwärts, real jedoch deutlich im Minus. Auch Zeiträume mit relativ hohen Inflationsraten wie z.B. 2000-2002, 2005 oder 2007 bis Mitte 2008 bedeuteten ein tendenziell negatives Umfeld für die Aktienmärkte.[18] Sollten also – wie von uns erwartet – sukzessive Inflationssorgen eingepreist werden, so würde dies definitiv Gegenwind für Aktien bedeuten.

US-Inflationsrate und Dow Jones Index seit 1971

US-Inflationsrate und Dow Jones Index seit 1971

Quelle: Incrementum AG, Wellenreiter Invest, Federal Reserve St. Louis

Fazit:

(US-)Aktien sind im Vergleich zu historischen Bewertungsniveaus äußerst ambitioniert bewertet. Eine Rückkehr zum Mittel erscheint nur eine Frage der Zeit, insb. sobald Inflationssorgen aufkommen sollten. Es scheint, als würde die Aktienmarktrally mittlerweile ins Stottern geraten. Einen Vorgeschmack darauf, wie die Welt bei entgegengesetzter Fahrtrichtung aussehen könnte, gab der Jahresbeginn, als die Aktienmärkte einbrachen und Gold in einen neuen Bullenmarkt einbog.

[1] Wir sind auf die Portfolioeigenschaften von Gold bereits in unseren letzten Goldreporten detailliert eingegangen, siehe z.B. „Gold im Portfoliokontext“, In Gold we Trust 2015, „Die außergewöhnlichen Portfolioeigenschaften von Gold“, In Gold we Trust 2014 etc. 

[2] Vgl. „Gold: A commodity like no other“, World Gold Council

[3] Paul B. Andreassen kam bereits Ende der 1980er Jahre in einer Studie zu der Schlussfolgerung, dass Investoren, die keine Nachrichten über ihre Aktieninvestitionen empfingen, im Schnitt bessere Ergebnisse erzielten als jene, die die Überschriften lasen. Die zugrundeliegende Theorie dabei ist einfach: dass Investoren auf kurzfristige Nachrichten, die nicht im Zusammenhang mit dem langfristigen Fundamentalwert stehen, überreagieren. Man beachte, dass seither die Masse der täglich auf Investoren eintreffenden Nachrichten, deutlich zugenommen hat. Andreassen, Paul B. (1987): „On the Social Psychology of the Stock Market: Aggregate Attributional Effects and the Regressiveness of Prediction“, Journal of Personality and Social Psychology, vol. 53, no. 3 (September): 490–496.

[4] Diese Konzeption berücksichtigt die Mittelwertrückkehr bzw. Regression zur Mitte (mean reversion) und dass Märkte zu Übertreibungen neigen, welche sich im Zeitablauf korrigieren. Gemäß dem Motto: Was hoch steigt, fällt tief – und umgekehrt.

[5] Vgl. Taghizadegan, Rahim, Ronald-Peter Stöferle und Mark Valek: Österreichische Schule für Anleger: Austrian Investing zwischen Inflation und Deflation, FinanzBuch Verlag, 2014, S. 228-233

[6] Siehe das nachfolgende Kapitel zum Thema „Antifragilität“ für das tiefergehende Verständnis von Fragilität, Robustheit und Antifragilität.

[7] Vgl. Taleb, Nassim Nicholas: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen, Albrecht Knaus Verlag, 2013

[8] Vgl. „Gold Not Antifragile Enough for Black Swan Author“, Yahoo Finance 

[9] Vgl. Korschorke, Albrecht, Susanne Lüdemann, Thomas Frank und Ethel Matala de Mazza: Der fiktive Staat: Konstruktionen des politischen Körpers in der Geschichte Europas, 2007, S. 11

[10] Ebd. S. 57

[11] Vgl. dazu „Stock-to-flow-Ratio als wichtigster Grund für die monetäre Bedeutung von Gold“, In Gold we Trust 2014 sowie „Warum der Goldpreis steigt“, In Gold we Trust 2015

[12] Vgl. Taleb, Nassim Nicholas: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen, S. 421 ff.

[13] Auf diese werden wir in Kapitel 10 noch detailliert eingehen. 

[14] Brent Johnson in „A new Bull Market in Gold?!“, Minutes of the Advisory Board Meeting, April 2016, S. 17

[15] Vgl. Butler, John: „The Iron Law of Money“, GoldMoney Research

[16] Fed Funds Rate abzüglich der Preisinflationsrate

[17] Um konjunkturelle Schwankungen zu glätten, berechnet es den inflationsbereinigten Gewinndurchschnitt der letzten 10 Jahre.

[18] Vgl. Wellenreiter-Invest, Robert Rethfeld und Alexander Hirsekorn 

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Ronald Stöferle und Mark Valek Autoren des In Gold We Trust report

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