Weiße, Graue und Schwarze Schwäne
„The two main risk factors for the average portfolio are less than expected growth and more than expected inflation.“
Ray Dalio
Key Takeaways
- Inflations- und Rezessionsgefahren werden aktuell nicht erwartet und sind so gut wie gar nicht eingepreist.
- Etliche Indizien sprechen dafür, dass eine US-Rezession in den kommenden 18-24 Monaten deutlich wahrscheinlicher ist als weitläufig angenommen.
- Gold hat das Potenzial beim Eintreten diverser Grauer- und Schwarzer Schwäne eine positive Wertentwicklung aufzuweisen.
a. Der Schwarze Schwan
Im Sommer 2007 erschien die erste Ausgabe des späteren Bestsellers The Black Swan. Der ehemalige Derivatehändler Nassim Taleb beschäftigt sich in dem lesenswerten Buch mit unvorhersehbaren Ereignissen, welche extreme – positive wie negative – Konsequenzen nach sich ziehen. Kurz nach Veröffentlichung des Buches brach völlig unerwartet eine Finanzkrise epochalen Ausmaßes aus. In vielerlei Hinsicht handelte es sich bei diesem Ereignis um ein äußerst eindrückliches Beispiel eines „Schwarzen Schwans“. Im Zuge des Erfolges von Talebs Buch wurde der Begriff des „Black Swan“ schließlich in den allgemeinen Wortschatz aufgenommen.[1]
Was meint Taleb mit dem Begriff des Schwarzen Schwans? Der Begriff beschreibt ein Ereignis, dessen Auftreten nicht nur höchst unwahrscheinlich ist, sondern auch von der Allgemeinheit vorab (ex ante) überhaupt nicht in Betracht gezogen wird bzw. unvorstellbar erscheint. Gerade deswegen ist es fast unmöglich, sich auf das Eintreten solcher Ereignisse vorzubereiten. Die Konsequenzen eines solchen Events sind jedoch extrem.
In Anlehnung an das Konzept vom „Schwarzen Schwan“ sprechen Analysten seit einiger Zeit vermehrt von „Grauen Schwänen“. Ein solches Ereignis ist ebenfalls höchst unwahrscheinlich und hat signifikante Auswirkungen auf den Markt, ist aber ex ante zumindest vorstellbar, da bereits Ereignisse ähnlicher Art aufgetreten sind. Daher ist es möglich, sich auf solche Ereignisse zumindest in groben Zügen vorzubereiten.
Alle anderen Geschehnisse sind Weiße Schwäne. Weiße Schwäne umfassen Ereignisse welche erwartbar, aber relativ unwahrscheinlich sind, sowie auch alle wahrscheinlichen Ereignisse.
Diese Unterteilung von Marktphänomenen in Schwarze, Graue und Weiße Schwäne ist unserer Meinung nach äußerst hilfreich für die Evaluierung zukünftiger Ereignisse und die dementsprechende Portfolioallokation.
Wo stehen wir nun und welche Szenarien halten wir für wahrscheinlich? Allgemein gesprochen hat die Erhöhung der Gesamtverschuldung und der Geldmengen das ungedeckte Geldsystem noch fragiler gemacht als es von seiner Grundverfassung ohnehin schon ist. Nach den zahlreichen, von den Notenbanken umgesetzten außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen ist es für das Vertrauen der Investoren nunmehr wichtig, dass die verspätet eingeläutete Normalisierung der US-Geldpolitik gelingt. An dieser Stelle wollen wir uns daher mit möglichen Szenarien auseinandersetzen, welche die Normalisierung verhindern könnten und in letzter Instanz zu systemischen Erschütterungen führen würden. Dies hätte auf den Goldpreis naturgemäß einen erheblichen Einfluss.
In diesem Zusammenhang empfehlen wir auch die Lektüre von Talebs 2012 erschienenem Werk Antifragile: Things That Gain From Disorder (dt. Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen). Auf dieser Grundlage behandelten wir im letztjährigen „In Gold we Trust“-Report die Frage, ob Gold ein Portfolio antifragiler machen kann.[2]
b. Weißer Schwan: Rezession
Es ist bekannt, dass eine Rezession in den USA einen der größten Risikofaktoren für internationale Anleger darstellt. Die derzeitige Sorglosigkeit der Finanzmarktteilnehmer ist aus unserer Sicht verdächtig hoch. Aktuell wird die Wahrscheinlichkeit einer nahenden Rezession völlig vernachlässigt und wohl eher wie die eines Grauen oder gar Schwarzen Schwans eingepreist. Die von der FED monatlich veröffentlichte Wahrscheinlichkeit, dass sich die USA derzeit in einer Rezession befinden, lag gemäß dem Modell von Marcelle Chauvet[3] Anfang Mai gerade einmal bei 0,68%.
US Recession Probabilities
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Von den 89 von Bloomberg befragten Analysten rechnet derzeit kein einziger in den Jahren 2017, 2018 oder 2019 mit einer Kontraktion des BIP. Das erwartete Wachstum liegt im Median in diesen drei Jahren zwischen 2,2 und 2,4 Prozent.
Erwartungshaltung der Analysten einstimmig auf weiteres Wachstum
Quelle: Bloomberg, Incrementum AG
Das große Vertrauen in die Robustheit der Wirtschaft spiegelt sich auch in diversen marktbezogenen Risikofaktoren wider. Die Optionsmärkte haben zuletzt im Vorkrisenjahr 2007 eine derart niedrige Schwankungsbreite für den US-Aktienindex S&P 500 ausgewiesen.
VIX: Versicherungsprämien auf Rekord-Tiefs
Quellen: Bloomberg, Incrementum AG
Dies sind nur einige der Indizes, die die Unbekümmertheit der Finanz-Community eindrücklich belegen. Diese Sorglosigkeit würde bei einem unerwarteten Eintreten einer Rezession für viel Überraschungspotenzial sorgen.
Der prolongierte Aufschwung
Anfang 2016 haben wir unsere Research-Abonnenten[4] im Rahmen unseres Chartbooks „Who’s Afraid Of Recession“ [5] auf einige Indikatoren aufmerksam gemacht, die schon damals Unsicherheit hinsichtlich der weiteren konjunkturellen Entwicklung signalisierten. Marktkommentatoren schienen zunehmend nervös zu werden, da die Zentralbank nicht in der Lage war, den eben erst angefangenen Zinserhöhungszyklus fortzusetzen. So war die US-Zentralbank im Laufe des Jahres 2016 mit einem zunehmenden Glaubwürdigkeitsproblem konfrontiert.
Schuld an der Untätigkeit der Zentralbank war unserer Meinung nach die Erwartung, dass das nominelle Wachstum weiterhin auf bescheidenem Niveau verharrte, was sich in weiter fallenden Renditen am langen Ende der Zinskurve zeigte. Die Federal Reserve hätte mit Leitzinserhöhungen die Zinskurve noch mehr abgeflacht und somit die Kreditschöpfung und das schwächelnde Wachstum negativ beeinträchtigt.
Zinserhöhungen pausiert bei abflachender Zinskurve
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Erst die neu entflammte Hoffnung auf eine Renaissance Amerikas durch eine vermeintlich wirtschaftsliberale Reflationspolitik brachte den benötigten Stimmungsumschwung. Dieser schlug auch auf die Zinsmärkte durch und ebnete den Weg für weitere Zinserhöhungen. So verhalf ironischerweise der von Wall Street und Federal Reserve ungeliebte Präsidentschaftskandidat Donald Trump letztlich zur Fortsetzung der Zinserhöhungspolitik. Darüber hinaus wirkt die Weiterführung des Zinserhöhungszyklus dem Vertrauensverlust entgegen, den die Federal Reserve in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer umstrittenen Geldpolitik erlitten hat.
Zum Stimmungswandel in der amerikanischen Öffentlichkeit trugen insbesondere die enthusiastischen Trump-Wähler bei. Viele von ihnen hatten von der Post-Lehman-Wirtschaftspolitik der Obama-Administration nicht spürbar profitiert. Aufgrund der vollmundigen Ankündigungen „ihres“ Präsidenten erwarten viele nichts weniger als die Rückkehr der „Amerikanischen Großartigkeit“.
Gemeinsam mit den Marktteilnehmen und der Fed gehen sie weiterhin davon aus, dass Trump dem Wirtschaftswachstum einen spürbaren Schub verleihen und eine Vielzahl gut bezahlter Jobs schaffen wird. Viele Stimmungsindikatoren stiegen in der Folge auf neue Höchststände, welche aber bislang von den harten Wirtschaftsdaten noch nicht bestätigt wurden.
Es bleibt abzuwarten, ob der Stimmungswandel tatsächlich zu positiveren Wachstumsdaten führen wird. Die Märkte haben an die Trump-Administration jedenfalls Vorschusslorbeeren verteilt und preisen zukünftige wachstumsfördernde Maßnahmen und ein gesteigertes Wachstum bereits ein. Leidtragender dieser hohen Erwartungshaltung war – insbesondere im Anschluss an die Wahl – der Goldpreis. Dieser musste als direkte Konsequenz der stark gestiegenen Renditen, wie in der Standortbestimmung bereits geschildert, deutlich Federn lassen. Mit der Möglichkeit, dass durch massive Steuererleichterungen und Liberalisierungen tatsächlich das Wirtschaftswachstum angefacht werden kann, beschäftigen wir uns etwas später.
c. Hinweise auf eine nahende Rezession
Im Folgenden wollen wir fünf Hinweisen nachgehen, die trotz der derzeit vorherrschenden guten Stimmung eine baldige Rezession weitaus wahrscheinlicher erscheinen lassen als gemeinhin angenommen. Diese fünf Hinweise sind:
- Steigende Zinsen
- Die unnatürliche Vermögenspreisinflation
- Verschuldung der Konsumenten & Verlangsamung der Kreditausweitung
- Die Dauer des derzeitigen Aufschwungs
- Stagnierende Steuereinnahmen
Hinweis Nr. 1: Steigende Zinsen
Betrachtet man einen langfristigen Chart der US-Leitzinsen, so erkennt man, dass fast jedem Zinserhöhungszyklus eine Rezession (gemessen anhand einer Schrumpfung des BIP in mind. 2 Quartalen) folgt. Beeindruckend ist die historische Tatsache, dass in den vergangen 100 Jahren auf 19 Zinserhöhungszyklen 16 Rezessionen folgten. Nur in drei Fällen folgte dem Zinserhöhungszyklus keine Rezession.[6]
Zinserhöhungen führten fast immer zu Rezessionen
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Das zyklische Auftreten von Booms und Busts sowie deren Zusammenhang mit der Geldpolitik wird dadurch evident. Unserer Meinung nach liefert die Austrian Business Cycle Theory (ABCT) hilfreiche Erklärungen für diesen Zusammenhang.[7]
Zinserhöhungen sind also grundsätzlich mit Spannung zu erwarten. Teilweise trat der konjunkturelle Einbruch jedoch erst mit einer Verzögerung von mehreren Quartalen auf. Wir hatten bereits im „In Gold we Trust“-Report 2014[8] geschrieben, dass man den Zeitpunkt der Umkehr der US-Geldpolitik auf den Beginn des damals viel zitierten „Tapering“ datieren kann. Mitte 2013 – also mittlerweile schon vor 4 Jahren – hatte der damalige Präsident der FED, Ben Bernanke, den sanften Ausstieg aus dem QE-Programm angekündigt. Im Laufe des Jahres 2014 hat die US-Notenbank die Käufe sukzessive eingestellt. Wenn man diese Sichtweise teilt, sind wir also bereits im vierten Jahr des Tightening-Zyklus. Unterstützung für unsere These liefert unserer Meinung nach auch der Chart der Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen, die bereits im Jahr 2014 einen Boden ausbildete und seitdem leicht ansteigt.
2-jährige US-Staatsanleihen am Weg nach oben?
Quelle: Bloomberg, Incrementum AG
Insgesamt scheint es vielmehr so, dass die Federal Reserve die ihr verbleibende Zeit nutzen möchte, um die versäumten Zinserhöhungen nachzuholen. Dies hätte für sie den Vorteil, dass sie beim nächsten Abschwung nicht bereits ihr komplettes konventionelles geldpolitisches Pulver verschossen hätte und auf die nächste Rezession mit – wenn auch geringfügigen – Leitzinssenkungen reagieren könnte.
Hinweis Nr. 2: Die unnatürliche Vermögenspreisinflation
Ausgesprochenes Ziel der QE-Programme war die Inflationierung der Vermögenswerte, in deren Gefolge der Konsum stimuliert werden sollte. Insbesondere Ersteres war gemäß Richard Fisher von Erfolg gekrönt.
„…we made a decision back in 2008, early 2009 we were going to have a wealth affect. That was achieved, it made wealthy people wealthier but the point is, it didn’t trickle down… „[9]
Richard Fisher, ehemaliger Präsident der Federal Reserve Bank Dallas
Häufig haben wir schon darauf hingewiesen, dass eine ultralockere Geldpolitik das exakte Gegenteil einer nachhaltigen Geldpolitik ist. Jede unnatürliche Vermögenspreisausdehnung findet früher oder später ihr Ende.
Im aktuellen Zyklus haben die Vermögenswerte erneut ein rekordverdächtiges Verhältnis erreicht. Neben dem bereits weiter oben gezeigten Verhältnis des Einkommens relativ zum Gesamtvermögen spricht auch der von Starinvestor Warren Buffett bevorzugte „Buffett-Indikator“ eine klare Sprache. Dieser signalisiert zum dritten Mal in knapp zwei Dekaden eine deutliche Überbewertung des US-Aktienmarktes im Verhältnis zur US-Wirtschaft.
Buffett-Indikator: Wilshire 5000 und Marktkapitalisierung des Wilshire 5000/US BIP
Quelle: Federal Reserve St.Louis; Incrementum AG, Kevin Duffy[10]
Dass US-Aktien aktuell (deutlich) überbewertet sind, signalisieren etliche Bewertungskennzahlen, darunter das bekannte Shiller P/E-Verhältnis. Brisant ist dieses Signal insofern, als dass sich der Zinserhöhungszyklus naturgemäß negativ auf die Bewertungen von Aktien auswirkt.
Im Zusammenhang mit überbewerteten Aktienmärkten hat der Analyst John Hussman in seiner wöchentlichen Kolumne vom 1. Mai 2017 einen äußerst lesenswerten Beitrag verfasst. Am Ende eines Bullenmarktes, so Hussman, bekommen Anleger vermehrt „Angst, Performance verpassen zu können“ („Fear of missing out“ oder auch FOMO). Diese Endphasen von Aktienhaussen versucht Hussman mit Hilfe einiger Indikatoren zu erkennen. Für die derzeitige Aktienhausse zeigen seine Analysen ein besorgniserregendes Ergebnis: Eine stärkere Korrektur am US-Aktienmarkt steht bald bevor.[11]
Exhaustion Gaps im S&P500 und Dow Jones
Quelle: Hussman Funds
Hinweis Nr. 3: Verschuldung der Konsumenten & Verlangsamung der Kreditausweitung
Die bewusst von der Zentralbankpolitik manipulierten Zinssignale bewirken unnatürliche Verhaltensmuster. Einerseits wiegen sich relativ vermögende Individuen durch gestiegene Aktien- und Immobilienpreise in falschem Wohlstand, andererseits wird aufgrund der niedrigen Zinsen der Anreiz zum Sparen unterminiert und die Neuverschuldung gefördert. Statt eines längerfristig orientierten Sparverhaltens legt die Gesellschaft zu Zeiten von Nullzinsen lieber hedonistischen Demonstrativkonsum an den Tag.
Diese künstliche Stimulierung lässt sich mittlerweile anhand von zahlreichen makroökonomischen Kennzahlen ablesen. Im April dieses Jahres übertraf beispielsweise die kumulierte Haushaltsverschuldung in den USA erstmals das Vorkrisenniveau. Während der erneut hohe Schuldenstand für uns Anlass zur Sorge ist, kommentierte die New York Times die Nachricht durchwegs positiv.[12]
Gesamtverschuldung der US-Haushalte (Billionen USD)
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Bloomberg, Incrementum AG
Im derzeitigen Geldsystem wird ein Großteil der umlaufenden Geldmenge von Banken als Kredit geschöpft. Die Wachstumsrate dieser Geldschöpfung ging in den vergangenen Monaten signifikant zurück. Herkömmliche Bankkreditaggregate zeigen dies ebenso an wie die sogenannte Austrian Money Supply. Historisch gesehen war die Verlangsamung des Kredit-Wachstums stets ein gutes Indiz für eine Abschwächung der Wirtschaftsaktivität und eine baldige Rezession, denn für die Fortsetzung des (exzessiven) US-Konsums ist die Schöpfung neuer Bankkredite eine zentrale Lebensader.
US money AMS – yoy Veränderung (%) und 12-Monats Moving Average
Quelle: AAS Economics, Dr. Frank Shostak
Hinweis Nr. 4: Dauer des Aufschwungs
Es gibt unter Ökonomen in vielen Fragen wenig Konsens: „Fragt man zwei Ökonomen erhält man drei Meinungen.„, so lautet ein bekanntes Sprichwort. Deshalb verwundert es uns, dass eine US-Rezession vom Gros der Mainstream-Ökonomen derzeit kategorisch ausgeschlossen wird. Denn eine Gegebenheit ist empirisch unbestreitbar: Das BIP wächst in Zyklen mit zeitlich begrenzten Expansionsphasen. In unregelmäßigen Abständen folgen Rezessionen auf vorherige Boomphasen. Eine historische Betrachtung aller wirtschaftlichen Expansionen der Vereinigten Staaten zeigt die nächste Grafik:
Quelle: Incrementum AG, Wikipedia
Die 49 Expansionen seit Gründung der Vereinigten Staaten dauerten im Schnitt etwa 36 Monate. Wenn man nur die 12 Aufschwünge der Nachkriegszeit betrachtet, so beträgt die Durchschnittslänge einer Aufschwungsphase 61 Monate. Mit Stand Juni 2017 befinden wir uns in der bislang drittlängsten Aufschwungsphase, welche nun schon 96 Monaten anhält. Sollte die aktuelle Aufschwungsphase noch weitere 24 Monate anhalten, würde sie die längste Expansionsphase in der US-amerikanischen Geschichte sein. In Anbetracht der vorgebrachten Hinweise halten wir es allerdings für wahrscheinlich, dass dieser Rekord nicht gebrochen wird.
Fallende Arbeitslosenquoten sind meist ein Nebeneffekt einer wirtschaftlichen Expansion. Während vielerorts die niedrige Arbeitslosenrate als Argument für die Robustheit des Aufschwungs herangezogen wird, weisen wir hier auf die langfristig oszillierende Charakteristik dieser statistischen Kennzahl hin. So gesehen sprechen niedrige Arbeitslosenraten viel eher für einen baldigen Anbruch einer neuen Rezession.
Niedrige US-Arbeitslosgigkeit als Vorbote für baldige Rezession?
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Hinweis Nr. 5: Stagnierende Steuereinnahmen
Ein interessantes Phänomen deutet sich derzeit bei der Entwicklung der Steuereinnahmen ab, die typischerweise stark mit dem Wirtschaftswachstum korrelieren. Die Einnahmen aus Bundessteuern stiegen in jüngster Vergangenheit nicht mehr an, was historisch gesehen als eindeutig negatives Indiz für die konjunkturelle Verfassung zu deuten ist. Frappierend ist, dass die Steuereinnahmen in der Vergangenheit ausschließlich in Zeiten wirtschaftlicher Kontraktion schrumpften. Die jüngste Entwicklung stimmt uns daher äußerst skeptisch hinsichtlich der aktuellen konjunkturellen Lage.
US-Steuereinnahmen stagnieren
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Die Konsequenzen einer Rezession
Sollte dieser Aufschwung nicht der längste der Geschichte werden und das US-BIP Wachstum in den kommenden 24 Monaten tatsächlich negativ werden, wären die Konsequenzen aus unserer Sicht gravierend. Die reflexartige Reaktion von Staat und Zentralbank wären definitiv weitere Stimulierungsmaßnahmen und eine Umkehr der Geldpolitik. Aktuell wird in Finanzmarktkreisen fast ausschließlich von der baldigen Rückkehr zu einer normalen Geldpolitik gesprochen. So gut wie niemand erwartet jedoch eine nahende Rezession bzw. eine expansivere Geldpolitik. In den letzten Jahren hat die US-Notenbank eine immer asymmetrischere Geldpolitik betrieben. Zinssenkungen fielen also stets stärker als Zinserhöhungen aus. Dies lässt sich statistisch an der linksschiefen Verteilung der effektiven Zentralbankzinsen („effictive fed fund rates“) ablesen.
Verteilungsfunktion der US-Leitzinsänderungen ist stark linksschief
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Es wäre eine große Überraschung, gleichsam ein Schwarzer Schwan, falls bei der nächsten Rezession nicht auf die gewohnte Weise reagiert würde.
Da die Normalisierung der Geldpolitik bei weitem noch nicht so weit vorangeschritten ist, würden die erneuten Stimulierungsmaßnahmen das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der bisherigen monetären Therapie vermehrt in Frage stellen. Zudem unterliegt auch die Wirksamkeit der monetären Therapie einem abnehmenden Grenznutzen. Jeder zusätzlich geschöpfte Dollar schafft immer weniger Wirtschaftswachstum. Aus diesem Grund wird voraussichtlich die nächst Runde unkonventioneller Geldpolitik deutlich brachialer ausfallen müssen als wir dies bisher kennen. Dies könnte zu einer drastischen Aufwertung des Goldpreises führen.
d. Grauer Schwan: Stagflation
Wie eben gezeigt gehen wir davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession deutlich höher ist als gemeinhin angenommen. Doch wie würde sich eine Rezession auf die Inflationsdynamik auswirken?
Seit einigen Jahren sind wir Zeitzeugen eines der größten Geldexperimente der Menschheitsgeschichte. Der Ausgang ist wohl ungewiss. Ein demütiger Blick in die Geldgeschichte lehrt uns hinsichtlich Inflation jedoch folgendes: Weder die Mainstream-Ökonomie noch die Notenbanker können die Spezifika der Inflationsdynamik steuern. Die kläglich scheiternden Versuche das Teuerungsniveau wie mit einem Thermostaten zu regulieren, zeugen von Hybris und von mangelnder Kenntnis unserer Geldgeschichte. Teuerungswellen treten unerwartet und innerhalb relativ kurzer Zeit auf.
Historische Inflationsüberraschungen (USA)
Quelle: Incrementum AG, Federal Reserve St. Louis
Entgegen der landläufigen Meinung, dass sich die industrialisierten Volkswirtschaften durch eine geringe Inflation auszeichnen, hat bereits eine enorme monetäre Inflationierung stattgefunden. Diese hat sich bislang jedoch „nur“ in den Vermögenspreisen, also Asset Price Inflation, niedergeschlagen. Es mutet merkwürdig an, dass gestiegene Preise für Lebensmittel in der Regel als verhängnisvoll angesehen werden, wohingegen steigende Häuserpreise oftmals als Segen gelten. In beiden Fällen bedeutet dies schlichtweg eine Reduktion der Kaufkraft.[13]
Entscheidend für die weitere Inflationsdynamik ist unserer Meinung nach die Reaktion des US-Dollars während einer wirtschaftlichen Kontraktion. In den vergangenen Rezessionen wertete der US-Dollar in einem derartigen Umfeld gegenüber den wichtigsten Währungen jeweils auf. Die Fed ergriff daraufhin Gegenmaßnahmen und der Dollar verlor wieder an Außenwert. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Ausgangsposition insofern anders, als dass der Dollar in den vergangenen Jahren schon eine ausgeprägte Stärkephase durchlebte.
USD-Index: Indikator für finanzielle Krisen?
USD Index (30mo Veränderung.)
Quelle: Federal Reserve St. Louis, Incrementum AG
Sollte es zur einer US-Rezession bei gleichzeitig abwertendem US-Dollar kommen, wäre das für Anleger eine äußerst heikle Situation. Während im Jahr 2008 noch Liquiditätssorgen und die Angst, dass „zu wenig Geld gedruckt würde“, dominierten, könnte es bei der nächsten Rezession zu einer gegenteiligen Markteinschätzung kommen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn das Vertrauen in die Fähigkeit der FED verloren geht, mit weiteren Stimulierungsmaßnahmen die Wirtschaft zu beleben. Sobald eine steigende Preisinflation von den Marktteilnehmern ernsthaft in Betracht gezogen wird, könnte sich das generelle Marktsentiment grundlegend ändern. Die derzeit nach wie vor allgegenwärtige Erwartungshaltung „Im Zweifel gibt es weitere inflationäre Maßnahmen der Notenbanken“ wird bei steigender Inflationserwartung vermehrt in Frage gestellt werden.
Darauf basierend möchten wir nachfolgend auf die Eigenschaften verschiedener Anlageklassen in unterschiedlichen Inflationsregimen eingehen. Neben Edelmetallen werden inflationsindexierte Anleihen oftmals als guter Inflationsschutz genannt. Viele Anleger sind sich jedoch nicht bewusst, dass die Inflationssicherung im Grunde erst am Ende der Laufzeit greift. Während der Laufzeit weisen solche Anleihen beträchtliche Zinssensitivitäten zu Nominalzinsveränderungen auf. Dies ist für die Portfoliobildung ein nicht unwesentlicher Faktor. Vor allem länger laufende Inflationsanleihen haben bei steigenden Inflationstendenzen oft „Gegenwind“, weil diese Zeiten mitunter von steigenden Nominalzinsen begleitet werden. Wenn diese Anlageklasse nun als Inflationsabsicherung beigemischt wird, kann es in einzelnen Jahren zu herben (Buch-)Verlusten kommen.
Anhand der nachfolgenden Grafik erkennt man klar, dass sowohl Aktien, als auch Anleihen in einem Umfeld steigender Teuerungsraten zu den klaren Verlierern zählen. Auch wenn Aktien als Realwert häufig zu den inflationsschützenden Anlagen gezählt werden, so ist dies historisch gesehen nicht so eindeutig. Zahlreiche Studien belegen, dass Aktienpreise und Inflation negativ korreliert sind.[14] Dies bedeutet, dass sich eine Erhöhung der Preisinflation im Normalfall negativ auf die Aktienpreise auswirkt.[15] Selbstverständlich sind hierbei allerdings deutliche Branchenabhängigkeiten festzustellen. Dies ist ein wesentlicher Grund, wieso Gold und Rohstoffaktien attraktive Eigenschaften für eine umsichtige Portfoliodiversifikation aufweisen.
Wertentwicklung unterschiedlicher Assetklassen in verschiedenen Inflationsregimen
Quelle: Wellington Asset Management, Incrementum AG
e. Weitere potenzielle Graue Schwäne
Im Folgenden wollen wir noch einige weitere Graue Schwäne nennen, von denen wir annehmen, dass sie demnächst relevant werden könnten.
Kreditkrise in China
Über eine potenzielle Kreditkrise in China wird seit einigen Jahren immer wieder spekuliert. Bis zum Jahr 2014 hat China eine positive Zahlungsbilanz ausgewiesen und Währungsreserven akkumuliert. Seither hat sich dieser Trend umgekehrt und der Renminbi hat stetig gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Die Kreditausweitung in China hat insbesondere nach 2008 exorbitant zugelegt.
M2/GDP-Level in internationalen Krisen – China deutlich über Durchschnitt von 51%
Quelle: Bloomberg, Incrementum AG
Hohe Abwertungen gegenüber dem US-Dollar verbunden mit steigenden Goldpreisen sind zu erwarten, falls die chinesische Wirtschaft tatsächlich eine Bankenkrise durchleben sollte.
Politische Krise in den USA im Falle einer Absetzung von Präsident Trump
Donald Trump hat mit seiner Wahl zum Präsidenten nicht nur für Aufregung an den Finanzmärkten gesorgt. Ein Großteil der bestehenden Machtelite ist durch seinee Wahl am falschen Fuß erwischt worden. Die Bemühungen, ihn im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahren (impeachment) aus dem Amt zu befördern, nehmen zu. Seine politisch unkonventionelle Vorgehensweise könnte seinen politischen Gegenspielern Steilvorlagen für diesen Schritt liefern. Noch beim Verfassen dieses Goldreports hat diese Wahrscheinlichkeit zugenommen.
Eine geopolitische Eskalation im Nahen oder Fernen Osten
Die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung im Fernen Osten ist zuletzt ebenfalls angestiegen. So ist die Situation auf der koreanischen Halbinsel aber auch zwischen Japan und China, China und den Philippinen sowie China und Vietnam, angespannt. Auch die zahlreichen schwelenden Konflikte im Nahen Osten könnten jeden Moment eskalieren.
Wie sich solche Szenarien auf den US-Dollar und den Goldpreis auswirken, ist stark vom Verlauf des jeweiligen Konfliktes abhängig. Die Vermutung liegt nahe, dass das Krisenmetall Gold zumindest in einer ersten Reaktion Kursgewinne verzeichnen dürfte. Trotzdem wird unserer Meinung nach die direkte Auswirkung von (geo-)politischen Ereignissen auf den Goldpreis tendenziell überschätzt. Interessierten Lesern empfehlen wir den Bericht unseres letzten Advisory Board Meetings.[16]
Hyperdeflation in Folge einer globalen Banken- und Staatschuldenkrise
Über die Nicht-Nachhaltigkeit der Schuldensituation haben wir bereits in vergangenen „In Gold we Trust“-Reports berichtet. Sollte es aufgrund der chronischen Überschuldung zu einer internationalen Banken- und Schuldenkrise kommen, so hätte diese – ohne massives Gegensteuern der Notenbanken – eine stark deflationäre Wirkung. Ein großer Teil des Giralgelds wäre nicht mehr zugänglich und Barreserven würden massiv aufwerten. Falls es wirklich zu einer Hyperdeflation kommen sollte, so würde Gold zwar nominell fallen, aber real die Kaufkraft erhalten oder sogar steigern.[17] Insbesondere für dieses Szenario empfiehlt sich das Investment in physische Metalle und die Lagerung außerhalb des Bankensystems.
US- Wirtschaftsaufschwung durch massive Steuererleichterungen und Liberalisierungen
Im fortgeschrittene Stadium des Schuldgeldsystems ist ein Anstieg des BIP- Wachstum nur bei einer überproportionalen Ausdehnung der Verschuldung möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Schuldenpolitik inklusive weiterer Reflationierungsmaßnahmen wie „Helicopter-Money“ ein deutliches Anfachen der Wachstumszahlen bewirkt. Dies würde de facto einem „Crack up Boom“ entsprechen. Dieses Szenario wäre höchst inflationär und würde unserer Einschätzung nach von einer starken Performance der Edelmetalle begleitet werden.
Neuordnung der globalen Währungsordnung inklusive einer (Teil-) Remonetarisierung von Gold
Nationale aber auch internationale Währungsordnungen sind regelmäßigen Änderungen unterworfen. Der letzte Paradigmenwechsel fand am 15. August 1971 statt, als US-Präsident Richard Nixon das bis dahin geltende Bretton-Woods-System aufkündigte. Früher oder später wird auch der momentane Post-Bretton-Woods-Standard, d.h. der US-Dollar Standard, adaptiert werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Gold wieder eine Rolle in der neuen Währungs-ordnung spielen könnte, nahm unserer Meinung zuletzt zu. So gibt es im Beraterstab von US-Präsident Trump auch Mitarbeiter, welche sich des Themas bewusst sind und auch öffentlich darüber sprechen. In dem Zusammenhang ist unser Exklusiv-Interview mit Dr. Judy Shelton in diesem „In Gold we Trust“-Report gewiss lesenswert.
Fazit
Wir haben uns in diesem ornithologisch geprägten Kapitel mit einigen Schwänen beschäftigt, die signifikante Auswirkungen auf die Goldpreisentwicklung haben können. Unserer Meinung nach ist eine US-Rezession, die eine Kehrtwende der Geldpolitik bedeuten würden, der wichtigste Einflussfaktor auf die zukünftige Goldpreisentwicklung.
Graue Schwäne und möglicher Einfluss auf den Goldpreis
Quelle: Incrementum AG
Es ist uns bewusst, dass wir als Vertreter der Österreichischen Schule dazu neigen, das Eintreffen einer Rezession zu früh zu wittern. Unserem Empfinden nach wird ein solches Szenario derzeit zu Unrecht völlig unterschätzt. Man hat sogar den Eindruck, dass die Möglichkeit einer Rezession komplett ignoriert wird und wie ein Schwarzer Schwan behandelt wird. Aus unserer Sicht spricht aber bereits einiges dafür, dass der aktuelle Aufschwung in absehbarer Zukunft sein Ende finden wird. Das Szenario einer Rezession ist unserer Meinung nach daher ein durchaus wahrscheinliches.
Sollte sich unsere Annahme bestätigen, so würde die Geldpolitik mit schnellen Zinssenkungen und einer neuen Runde Quantitative Easing darauf reagieren. In diesem Szenario wäre bei Gold mit deutlichen Kursgewinnen zu rechnen.
[1] Die Bezeichnung eines Ereignisses, das zuvor nicht beobachtet wurde und dennoch auftreten könnte, als „Schwarzen Schwan“ machte Karl R. Popper im Zusammenhang mit seinem Falsifikationismus populär. Laut dieser Methode kann eine Hypothese niemals bewiesen, aber gegebenenfalls widerlegt werden kann. So kann bspw. der Satz „Alle Schwäne sind weiß“ nicht verifiziert werden, sondern lediglich falsifiziert, sobald auch nur ein einziger schwarzer Schwan gesichtet wird.
[2] Vgl. „In Gold we Trust“-Report 2016, „Antifragil investieren mit Gold“, S. 117f.
[3] Vgl. Chauvet, Marcelle, „An economic characterization of business cycle dynamics with factor structure and regime switching“, 1998
[4] Anmeldung möglich auf www.incrementum.li
[5] „Who’s Afraid Of Recession?“, 2016
[6] Vgl. Hoisington Quarterly Review and Outlook, Q1 2017
[7] Nähere Erläuterungen der ABCT und deren Implikationen finden Sie ua. in unserem Buch Österreichische Schule für Anleger: Austrian Investing zwischen Inflation und Deflation, 2014
[8] „In Gold we Trust“-Report 2014
[9] Fisher, Richard: „‚Wealth Effect‘ Did Not Trickle Down“, 2016
[10] Vgl. Duffy, Kevin: „Mr. Market flunks the marshmallow test“, Präsentation auf der Grant’s Spring Konferenz 2017
[11] Hussman, John P.: „Exhaustion Gaps and the Fear of Missing Out“, 2017
[12] Vgl. Cowley, Stacy und Michael Corkery: „Household Debt Makes a Comeback in the U.S.“, NY Times, 2017
[13] Vgl. Hollenbeck, Frank: „Why Keynesian Economists Don’t Understand Inflation“, Mises.org, 2014
[14] Vgl. Fama, Eugene und William Schwert: „Asset returns and inflation“, Journal of Financial Economics, 1977
[15] Vgl. Jaffe, Jeffrey F. und Gershon Mandelker: „The ‘Fisher Effect’ for Risky Assets: An Empirical Investigation“, Journal of Finance, 1975
[16] „US Going to War with North Korea and Gold Going Below $1,000?“, Minutes of the Advisory Board Meeting, 2017
[17] Vgl. Österreichische Schule für Anleger: Austrian Investing zwischen Inflation und Deflation, S. 147 ff.